Literatur Rezensionen

Hermann Hesse – Narziß und Goldmund

Hermann Hesse - Narziß und GoldmundIm mittelalterlichen Kloster Mariabronn freunden sich zwei grundverschiedene Menschen miteinander an: Narziß, der Denker und Asket und der junge Klosterschüler Goldmund, der in seinem neuen Freund zwar zunächst ein Vorbild sieht, aber von diesem bald zurechtgewiesen wird. „Sei du selbst!“, ermutigt Narziß ihn schnell, er solle seinen eigenen Weg finden und nicht einfach das Lebensmodell nachahmen, das ihm von anderen nahegelegt werde. So bricht Goldmund kurz darauf auf, um das asketische Klosterleben hinter sich zu lassen und ein Leben bestimmt von Sinnlichkeit, Abenteuer, Vitalität und Künstlertum zu führen. Stets auf Wanderschaft, von einer schönen Frau zur nächsten wandelnd, entdeckt er bald die Kunst als einzigen richtigen Weg zu einer erfüllten Existenz.

Hermann Hesse entwirft in seiner Langerzählung „Narziß und Goldmund“ in beeindruckend bildreicher Sprache nicht nur ein mitreißendes Porträt eines jungen Menschen auf der Suche nach seiner Berufung, sondern auch eine Hommage an die Freundschaft. Auch wenn die beiden Protagonisten im Hauptteil über eine längere Strecke räumlich voneinander getrennt sind, zeigt Hesse ihre Seelenverwandtschaft auf, die sich über jegliche Distanzen hinwegzusetzen vermag. Die tiefe Verbundenheit beider Freunde scheint schier unauslöschlich.

Hermann Hesse

Hermann Hesse

Eine Freundschaft, so scheint Hesse zu sagen, vermag es Menschen zum Besseren zu verändern und Potenziale in ihnen zu wecken, die ohne eine enge zwischenmenschliche Bindung verborgen geblieben wären. Dies wird anhand der beiden Hauptfiguren deutlich, die sich beide gegenseitig trotz ihrer Gegensätze im positiven Sinne ergänzen und in ihren Anlagen bekräftigen. So etwa Narziß, indem er seinen Freund vor dem Fehler bewahrt, seine künstlerischen Talente zugunsten eines allgemein akzeptierten Lebenswegs verkümmern zu lassen: „Denn indem ein Mensch mit den ihm von Natur aus gegebenen Gaben sich zu verwirklichen sucht, tut er das Höchste und einzig Sinnvolle, was er tun kann.“

Darüber hinaus schafft es Hesse in seiner Erzählung zahlreiche Themenkomplexe wie Leben – Tod, Körper – Geist, Leidenschaft – Vernunft, Freiheit – Gebundenheit kunstvoll einzuflechten, was die Lektüre zu einem Genuss für jeden philosophisch und psychologisch interessierten Leser macht. Die zahlreichen Reflexionen laden zum Nachsinnieren ein, „Narziß und Goldmund“ ist auch gerade deshalb zwar sicher kein leicht verdauliches Buch, aber ohne Zweifel eines was noch lange nachwirkt. Eine Erzählung zum immer wieder Lesen, oder wie ein Zeitgenosse Hermann Hesses es einst sehr treffend auf den Punkt brachte: „kein Zeit-, sondern ein Lebensbuch.“

Ob ich diese Aussage auch unterschreibe, werde ich noch herausfinden, aber auf jeden Fall war “Narziß und Goldmund” eines meiner absoluten Lese-Highlights im Jahr 2013 und hat ab sofort einen festen Platz in meinem Bücherregal verdient. (wenn ich dann wieder in Deutschland bin…)

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