Fotografie

Ausstellungstipp: Walker Evans. Ein Lebenswerk

Wenn man sich im Martin-Gropius-Bau in Berlin an der langen Schlange für die aktuell noch sehr beliebte David Bowie-Ausstellung vorbeigezwängt hat, erwartet einen neben allem Trubel um den Popstar auch eine kleine, aber feine Retrospektive des amerikanischen Fotografen Walker Evans. In insgesamt 3 Ausstellungsräumen werden seine Anfänge, seine Reisereportagen und nicht zuletzt die eindrucksvollen dokumentarischen Aufnahmen der amerikanischen Südstaaten zur Zeit der Großen Depression präsentiert, aber auch seine (heimlich) in der New Yorker U-Bahn aufgenommenen Porträts und andere Straßenfotografien finden Beachtung in der Ausstellung.

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Mit seinen authentischen Aufnahmen, die sogar eine neue fotografische Stilrichtung prägten (der dokumentarische Stil), genießt Evans bis heute großen Vorbildcharakter für andere Künstler. Er beweist eine gute Beobachtungsgabe für Stimmungen, Menschen und kleine Details und trotz der großen Nähe zum Fotojournalismus sah sich Evans selbst immer als Künstler. Politik und Kunst, so seine Meinung, sollten nie zu sehr miteinander vermischt werden. Die Fotografie sei ein autonomes, unabhängiges Medium, das nicht für politische Zwecke instrumentalisiert werden solle. So entstanden unzählige dokumentarische Fotos von einsamen Landstrichen, abgerissenen Farmerleuten und den für Amerika so typischen großen Werbetafeln irgendwo verlassen im Nichts – Bilder, die Walker Evans viel Erfolg und Anerkennung in der Öffentlichkeit einbrachten. 1938 wurden seine Fotos sogar im MoMA ausgestellt: ein wirkliche Seltenheit in der Geschichte, denn die Fotografie musste sehr lange für ihre Legitimation als Kunst kämpfen!

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Die Retrospektive reicht zurück bis in die 1960er Jahre, in denen sich Evans vor allem in New York aufhielt, aber auch immer wieder Reisen nach London oder zum Haus von Robert Frank in Nova Scotia unternahm. In den späten Jahren seines Schaffens konzentrierte er sich in seiner Straßenfotografie nicht nur auf Porträts von Passanten (Kamera heimlich im Mantel versteckt, Drahtauslöser im Ärmel), sondern auch auf die Welt des Konsums, der Werbung und Typographie. Auch wenn die Ausstellung mit 200 Originalabzügen sicher nur einen Ausschnitt Evans‘ Oeuvres zeigt, macht sie auf jeden Fall neugierig auf mehr. Ein schöner Geheimtipp im Martin-Gropius-Bau, sehr sehenswert. Also, immer schön an der langen Bowie-Schlange vorbei und ganz in Ruhe in die beeindruckende Foto-Welt Walker Evans‘ eintauchen.

Martin-Gropius-Bau Berlin
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
25. Juli bis 9. November 2014

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    3 KOMMENTARE

  • J. Kienbaum 10. August 2014 Reply

    In der Tat, eine sehenswerte Ausstellung, deren Kraft sich erst auf den zweiten Blick zeigt. Lohnenswert auch das begleitende Katalogbuch aus dem Hatje Cantz Verlag. Zeigt es doch erstmals den ganzen Evans und nicht nur die bekannten “Depressions-Ikonen”.

  • jtaelling 10. August 2014 Reply

    Danke für die Erwähnung. Ich hatte von der Ausstellung gehört, aber sie dann doch wieder vergessen und jetzt ist sie wieder im Focus. Merci.

  • […] das Billig-Image zu nehmen und sie zu einer anerkannten Kunstform zu machen. In Tradition von Walker Evans und Robert Frank stellt er die amerikanische Alltagswelt ganz in das Zentrum seiner Arbeit und […]

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