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Lesen 2017 – Mein persönlicher literarischer Jahresrückblick

Lesen 2017: Mein persönlicher literarischer Jahresrückblick

Kein Jahr ohne Jahresrückblick. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich dieses Jahr gefühlt weniger Bücher gelesen habe als in den vergangenen Jahren. Dies hatte die unterschiedlichsten Gründe. 2017 war von einer großen beruflichen Veränderung in meinem Leben geprägt: Man will es kaum glauben, aber seitdem ich nicht mehr so viel Zeit mit dem Pendeln nach Potsdam verbringe, habe ich auch in der Freizeit viel weniger gelesen. Insgesamt fast 2 Stunden täglich lesend im Zug sitzend habe ich Bücher viel schneller und intensiver gelesen. Zuhause finde ich meistens nicht die Ruhe, um mich einem Buch zu widmen. Es gibt also doch etwas Gutes an der oft verteufelten Pendelei!

Zum anderen hat das Jahr gerade im letzten Drittel auch einige persönliche Veränderungen gebracht. In den vergangenen Monaten habe ich daher nur sehr selten zum Buch gegriffen. Es gibt tatsächlich einen (seitentechnisch recht dünnen) Roman, den ich schon seit Oktober lese und immer noch nicht fertig habe. Das ist schon echt lange nicht mehr vorgekommen! Ich möchte dennoch jetzt auf mein Lesejahr 2017 zurückblicken und Euch einige meiner persönlichen Highlights präsentieren. Lesen 2019: Los geht’s!

Lesen 2017: Ein echtes Murakami-Jahr geht zuende

War es im letzten Jahr Capote, so war es dieses Jahr eindeutig der japanische Autor Haruki Murakami, der mich in seinen Bann gezogen hat. Für Japan begeistere ich mich schon eine ganze Weile. Gesteigert wird meine Leidenschaft für dieses faszinierende Land vor allem auch durch meine japanischen Freunde, mit denen ich in Berlin regelmäßig etwas unternehme – oft auch Dinge mit Japan-Bezug. Ich empfinde es als eine große Bereicherung, Einheimische zu kennen, die mir die japanische Kultur näherbringen und kann es kaum erwarten, mich selbst auf große Reise zu begeben.

Lesen 2017: Haruki Murakami

In literarischer Hinsicht habe ich dies im Jahr 2017 mit Haruki Murakami getan. Highlight des Sommers war die Lektüre seines surrealistisch angehauchten Fantasy-Romans Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt, der nur so voller skurriler Ideen strotzt. Vielschichtig, nervenaufreibend und dennoch tiefgründig – es lohnt sich sehr auf Murakamis fantastische Welten einzulassen. Sehr lesenswert war dann auch Murakamis Essay-Band Von Beruf Schriftsteller, in dem er sich auf sehr bodenständige Weise mit seiner Profession auseinandersetzt und dem Leser einen Blick hinter die Kulissen seines Schaffens gewährt. Bescheiden und humorvoll – dies scheinen definitiv zwei Eigenschaften zu sein, die den privaten Murakami ausmachen – und ihn als Menschen und Schriftsteller umso sympathischer machen.

1Q84 Buch 1 2 von Haruki Murakami

1Q84 Buch 1 2 von Haruki Murakami

Murakami als Hörbuch

Hörbücher konsumiere ich in der Regel eher selten, dennoch hab ich im Sommer das Hörbuch zu Murakamis dickem Wälzer 1Q84 angefangen. Was ist Fiktion? Was Realität? Wie so oft bei Murakami vermischen sich die Zeit- und Erzählebenen miteinander, sodass man anfangs sich mehr als einmal fragt, wie man das Gelesene einordnen soll. Die Figuren und die Handlung empfand ich zwar als sehr vielversprechend, allerdings scheiterte es bei mir leider daran, dass ich beim Hören über Spotify immer wieder vergaß, wo ich stehengeblieben war und dann den Faden verlor. 1Q84 hat aber auf jeden Fall eine zweite Chance verdient. Nächstes Mal dann vielleicht einfach wieder als klassisches Buch!

Das nächtliche Tokio: Afterdark

In den letzten Tagen des Jahres geht es für mich mit einem weiteren Roman weiter: In Afterdark geht es um eine Nacht in der pulsierenden Metropole Tokio – und welche Schicksale sich dort auf unterschiedlichste Weise kreuzen und miteinander verbinden. Der Roman entfaltet eine enorme Sogwirkung, sodass ich bereits innerhalb von wenigen Tagen im letzten Drittel angelangt bin. Große Erzählkunst!

Meine Top-3

Keine leichte Entscheidung wieder mal, bei so vielen guten Büchern! Dennoch entscheide ich mich für folgende:

1. Haruki Murakami – Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Muss ich nach meinem Text oben eigentlich noch viel mehr sagen? Es war einfach ein Erlebnis, diesen Murakami-Roman zu lesen. Auch wenn ich mich anfangs auf die sehr skurrile Handlung einlassen musste, hat es mich danach dafür umso mehr gepackt. Was hat es mit der eigenartigen Parallelwelt auf sich? Wie wird es der Protagonist schaffen, den gefährlichen Schwärzlingen im Tokyter Untergrund zu entkommen? Eigenartig und spannend bis zu letzten Seite – und das, obwohl das Fantasy-Genre normalerweise eigentlich weniger mein Ding ist. Ich kann nur nochmal auf meine Rezension verweisen 😉

hard-boiled-wonderland-murakami

2. Michel Houellebecq – Elementarteilchen

Michel Houellebecq hatte mich ja schon im vorigen Jahr mit seiner Gesellschaftsdystopie Unterwerfung begeistert. Klar, dass ich da unbedingt noch mehr von ihm lesen wollte. Auch in seinem frühen Roman Elementarteilchen beweist er sein großartiges Gespür für gesellschaftliche Phänomene. Hier widmet er sich der 68er-Generation, die in der Regel mit Freiheit und Selbstbestimmung assoziiert wird. Houellebecqs Roman zeichnet jedoch ein sehr pessimistisches Bild und zeigt auf, dass hinter den oft hoch gepriesenen gesellschaftlichen Erneuerungen nicht viel Gutes steckt. Egoismus, Selbstbereicherung und Ausbeutung – dies sind nur einige wenige negative Aspekte, die sich hinter vermeintlich philosophischen New-Age- und Hippie-Bewegungen verbergen. Elementarteilchen ist sehr vielschichtig, keine leichte Kost und wirkt definitiv über die Lektüre hinaus noch sehr lange nach.

Michel Houellebecq - Elementarteilchen

3. Delphine de Vigan – Nach einer wahren Geschichte

Kann ein Mensch einen anderen ersetzen? Der abgründige Psychothriller Nach einer wahren Geschichte der französischen Autorin Delphine de Vigan dreht sich genau um diese Frage. Der Roman handelt von einer Schriftstellerin, die in einer schweren kreativen Krise steckt und sich in eine gefährliche Abhängigkeit zu einer Frau begibt, die es zunächst nur gut mit ihr zu meinen scheint, jedoch schnell ihr wahres manipulatives Gesicht zeigt. Beim Lesen läuft es einem mehr als einmal kalt den Rücken hinunter. Wie wird es die Hauptfigur jemals schaffen, sich aus diesem Netz aus Lügen und Täuschungen wieder zu befreien? Ein nervenaufreibender Roman wie ich ihn selten gelesen habe. Unterdessen ist de Vigans neuer Roman “Loyalitäten” erschienen, den ich auch sehr empfehlen kann.

Delphine de Vigan: Nach einer wahren Geschichte

Lieblingsbuchcover

Ja, ich bin Ästhetin und ich stehe dazu. Es war für mich daher gänzlich unmöglich an diesem wunderbar gestalteten Buch von John von Düffel (u.a. Wassererzählungen, Beste Jahre) vorbeizulaufen, dass der Verpackung des berühmten Parfüms Chanel No. 5 nachempfunden ist. Das nenne ich ein gelungenes Design, das definitiv neugierig auf den Inhalt macht. In Gespräch über die Unsterblichkeit entwirft John von Düffel ein fiktives philosophisches Gespräch mit dem charismatischen Modeschöpfer Karl Lagerfeld, berichtet von seiner Kauzigkeit aber auch von seinen tiefsinnigen Gedanken über die Kunst, das Leben und den Tod. Gut beobachtet und sehr inspirierend.

KL - Gespräch über die Unsterblichkeit

KL – Gespräch über die Unsterblichkeit

Einen Autor, den ich im Auge behalten werde

Hier fällt mir die Entscheidung echt schwer – denn ich habe das Gefühl, im Jahr 2017 echt eine Menge interessanter Schriftsteller kennengelernt zu haben. Ob Benedict Wells mit seinem berührenden Familienroman Vom Ende der Einsamkeit, der russische Autor Vladimir Sorokin mit seinem dystopischen Schneesturm oder Klaus Modick mit seinem faszinierenden Werk Konzert ohne Dichter über den Jugendstilmaler Heinrich Vogeler und seine Freundschaft mit Rilke. Hier waren echt viele Highlights dabei. In diesem Sinne: Ich werde meine Augen für all diese und viele weitere Autoren offen halten!

Autoren Lesen 2017

Mein liebster Klassiker

Die 1920er Jahre zählen für mich zu den spannendsten Epochen der Kultur- und Literaturgeschichte. Spätestens, seit ich mich in meiner Masterarbeit intensiv mit Großstadtliteratur beschäftigt habe, kann ich es kaum erwarten noch mehr Werke aus dieser faszinierenden Zeit zu lesen. Vicki Baums Menschen im Hotel stand dabei schon länger auf der Liste. Die Autorin entführt den Leser in das luxuriöse Grand Hotel, in dem die unterschiedlichsten Charaktere aufeinandertreffen und in Beziehung zueinander treten. Vicki Baum beobachtet dabei sehr genau und schafft es, die Ängste, Hoffnungen und Träume der Figuren auf feinfühlige Weise zu beschreiben und den Leser für ihr Schicksal zu interessieren. Eindrucksvoller Großstadtroman! Auch die Romanverfilmung mit Greta Garbo in eine der Hauptrollen ist übrigens sehr sehenswert.

Vicky Baum: Menschen im Hotel

Vicky Baum: Menschen im Hotel

Lesen 2017: Das lustigste Buch des Jahres

Ich geb’s ja zu. Meistens lese ich eher wenig “witzige” Bücher. Nicht, weil ich nicht gerne lache, sondern eher, weil mich Romane und Erzählungen mit melancholisch-nachdenklichem Touch meistens mehr anziehen. Dies änderte sich dieses Jahr mit dem wunderbar satirischen Roman Das bin doch ich von Thomas Glavinic. Ob auf einer Bank im Park oder in der U-Bahn: Oft konnte ich nicht anders und musste bei der Lektüre laut loslachen. Als eher schüchterner Mensch war das für mich definitiv mal was Neues, solche Gefühlsausbrüche in der Öffentlichkeit zu erleben 😉 In seinem Roman berichtet Glavinic mit sehr feinsinnigen, zum Teil aber auch bissigen Humor von der Literatur- und Verlagsbranche, erzählt vom ganz normalen Wahnsinn, den ein (Nachwuchs)Autor in dieser doch sehr speziellen Welt erlebt. Ganz nebenbei nimmt er sich selbst und seine skurrilen Eigenheiten ordentlich auf die Schippe. Gut, was von seinen Erzählungen wirklich der Realität entspricht, ist eine andere Frage. Amüsant und lesenswert ist es allemal.

Thomas Glavinic: Das bin doch ich

Die bittere Wahrheit über den Literatur- und Kulturbetrieb: Unglaublich komisch!

Ich bin nicht warm geworden mit…

Zelda Fitzgerald: Ein Walzer für michSo schade es auch ist und so sehr ich es auch versucht habe: Bei der Lektüre von Zelda Fitzgeralds Roman Ein Walzer für mich wollte der Funken nicht so recht überspringen. Zelda Fitzgerald, die sowieso immer im Schatten ihres Ehemanns F. Scott Fitzgerald stand, wollte mit diesem Werk beweisen, dass sie literarisch auch was draufhatte. Zwischen nahezu jeder Zeile des Romans spürt man, dass das Geschilderte sehr viel Autobiographisches enthält. So geht es in der Handlung um eine junge Frau, die einen Künstler heiratet und mit ihm in New York ein exzessives Partyleben führt. Schnell bekommt das junge Glück jedoch die ersten Risse. Kommt das irgendjemandem auch so bekannt vor? 😉 So richtig packen konnte mich der Roman leider nicht – so sehr ich mich auch für Fitzgerald, Künstler und die Roaring Twenties begeistere. Schade eigentlich. Sollte ich einen zweiten Versuch wagen?

Wunschliste für’s neue Jahr

Lasse mich gerne überraschen, was das Lesejahr 2018 so bringt. Könnte allerdings sein, dass diese Bücher darunter sind:

Lesen 2018

So, jetzt seid ihr aber dran! Wie war Euer Lesejahr 2017? Was waren Eure Highlights, welche Autoren behaltet Ihr in guter Erinnerung? Ich bin neugierig auf Eure Kommentare!

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    4 KOMMENTARE

  • Corinna 26. Dezember 2017 Reply

    Ich hab heute noch gedacht, dass ich mal wieder einen Murakami Roman lesen muss 🙂 Ich hab auch schon einiges gelesen und muss sagen dass mich noch nie eines enttäuscht hat. Jedes ist in seiner Erzählweise außergewöhnlich und magisch und man versinkt förmlich darin.
    Nach Japan würd ich auch unbedingt gerne mal 🙂

    • Deborah 26. Dezember 2017 Reply

      Danke für deinen Kommentar, Corinna. Gebe dir völlig Recht, finde seine Bücher sehr ungewöhnlich – aber auf sehr erfrischende Weise 🙂 Kann es kaum erwarten, in weitere Werke von ihm einzutauchen.

      Herzliche Grüße
      Deborah

  • wortsonate 26. Dezember 2017 Reply

    Kafka am Strand möchte ich auch noch lesen, weil Haruki Murakami vieles von Kafka in seinen Romanen verarbeitet. schöne Übersicht

    • Deborah 26. Dezember 2017 Reply

      Danke, denke auch, dass das Buch sehr interessant sein könnte. Eine Kommilitonin im Studium hat darüber sogar mal eine Arbeit geschrieben, scheint also wirklich ergiebig zu sein, was die Referenzen zu Kafka betrifft 😉

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