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Lesen 2018 – Mein persönlicher literarischer Jahresrückblick

Lesen 2018 – Mein persönlicher literarischer Jahresrückblick

Zwischen den Jahren habe ich nun endlich etwas Zeit, um durchzuatmen und meine beliebte Tradition fortzuführen: einen kleinen literarischen Jahresrückblick zusammenzustellen und Euch zu präsentieren. Auch dieses Jahr war zwar leider kein großes Lesejahr – trotz Pendelei zur Arbeit kam ich 2018 wenig zum Lesen. Dennoch kommt doch wieder so einiges an gelesenen Büchern zusammen, die ich Euch natürlich nicht vorenthalten möchte. Vielleicht lautet das Motto dieses Lesejahrs ja auch Klasse statt Masse?!

Lesen 2018: Meine Top 3

1. Haruki Murakami – Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Murakami hat es auch dieses Jahr wieder geschafft auf Platz 1 zu landen, diesmal mit seinem Roman “Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki”, der von einem jungen Japaner handelt, der plötzlich von einem Tag auf den anderen von seinen besten Freunden gemieden wird und nicht den Grund dafür erfährt. Was ist los? Was hat er gemacht, dass seine Freunde nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen? Diese Fragen beschäftigen einen auch als Leser und somit baut der Roman große Spannung auf.

Doch Murakamis Roman gibt auch Einblicke in die japanische Kultur, in der es kaum etwas Wichtigeres gibt, als das eigene Gesicht zu wahren. Statt offen mit Gefühlen umzugehen und seine Freunde mit seiner Enttäuschung zu konfrontieren, frisst der Protagonist lieber jahrelang seine Ängste, Sorgen und Schmerzen in sich hinein. Er wagt es nicht den Grund für die Ausgrenzung zu erfragen und zerbricht daran. “Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki” geht unter die Haut und gehört gerade deshalb zu den Büchern in diesem Jahr, die ich so schnell nicht wieder vergessen werde. Hier könnt Ihr meine komplette Rezension nachlesen.

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Lesen 2018: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

2. Fuminori Nakamura – Der Dieb

Darüber hinaus bin ich sehr froh, dass ich den japanischen Autor Fuminori Nakamura dieses Jahr entdeckt habe. Dieser hat zwar schon mehrere Romane geschrieben, aber erst so langsam schwappt sein literarisches Werk nun auch in deutscher Übersetzung zu uns nach Europa. Sein Roman “Der Dieb” handelt von einem jungen Kleinkriminellen, der durch die Straßen Tokios streift und ziellos Diebstähle verübt. Er tut dies nicht, um sich finanziell zu bereichern, vielmehr gibt ihm jeder Diebstahl einen Kick und stellt für ihn den Sinn seiner eigenen Existenz dar. Als er jedoch mit der japanischen Mafia in Berührung kommt, wendet sich leider das Blatt und die Hauptfigur findet sich schneller als sie gucken kann in der düsteren Unterwelt wieder. Nervenaufreibend erzählt. Hieraus ließe sich bestimmt auch ein spannender Mafia-Thriller machen… Hier geht’s zu meiner Rezension.

Fuminori Nakamura - Der Dieb

Lesen 2018: Fuminori Nakamura – Der Dieb

3. Peter Stamm – Weit über das Land

Auf den letzten Metern im alten Jahr habe ich schließlich noch ein weiteres Werk des schweizerischen Autors Peter Stamm gelesen, der mich in der Vergangenheit ja schon durch seine Werke “Seerücken”, “Agnes” und “Nacht ist der Tag” begeistert hatte.

Mit wenig Worten viel sagen – diese Spezialität von Peter Stamm findet sich auch in seinem Roman “Weit über das Land” wieder. Die Handlung ist schnell erzählt: Ein Mann (Familienvater mit zwei Kindern, Frau und Einfamilienhaus) geht eines Abends durch das Gartentörchen und verschwindet. Statt nach Motivation und Hintergründen zu fragen oder zu moralisieren folgt Stamm stattdessen diesem Mann auf seiner Reise über das Land, zeigt wie er es zunehmend genießt mit der Natur zu leben und seine Vergangenheit hinter sich zu lassen.

Parallel erfahren wir als Leser wie seine Frau mit seinem Verschwinden umgeht. Wir sehen, wie sie zunächst ihr Leben weiterlebt als wäre nichts geschehen, schließlich aber doch zur Polizei geht und eine Vermisstenmeldung aufgibt. “Warum ist er gegangen?” Diese Frage wird im Roman nicht beantwortet, denn jeder Leser muss seine eigene Erklärung für das Gelesene finden. Eine eigenartige Erzählung, die einen sicher ein bisschen verwirrt zurücklässt, gleichzeitig aber auch durch ihre ganz besondere Atmosphäre sowie ihre feinen Zwischentöne und faszinierende Doppelbödigkeit beeindruckt.

Peter Stamm - Weit über das Land

Lesen 2018: Peter Stamm – Weit über das Land

Lieblingsbuchcover

Jocelyne Saucier – Ein Leben mehr

Nagut, ich geb’s ja zu. Ich wollte schon immer mal ein Bookface-Foto knipsen. Hier ist es also, denn bei diesem Buchcover bietet sich das ja nun echt an. Aber auch sonst verbirgt sich hinter diesem sehr sprechenden Buchcover eine warmherzige Geschichte über drei alte Männer, die sich in die Tiefen der nordkanadischen Wälder zurückziehen, um ihre letzten Lebensjahr frei, unabhängig und würdevoll zu verbringen. Doch dann stoßen plötzlich eine junge Fotografin und eine eigensinnige ältere Dame dazu und bringen Abwechslung in die Einsamkeit. Märchenhafte Erzählung über das Älterwerden und die ewige Suche nach einem glücklichen Leben – lesenswert!

Jocelyne Saucier - Ein Leben mehr

Jocelyne Saucier – Ein Leben mehr

Mein liebster Klassiker

Fjodor Dostojewski – Verbrechen und Strafe

Ist das wirklich das gleiche Buch oder liegt das an der neuen vielgelobten Übersetzung von Swetlana Geier, dass mir der Roman so anders vorkommt? Diese Frage stellte ich mir diesen Herbst die ganze Zeit als ich Dostojewskis Werk “Verbrechen und Strafe” erneut las. Denn obwohl ich den Roman schon vor über 10 Jahren in der alten Übersetzung unter dem Titel “Schuld und Sühne” gelesen habe, kam es mir vor wie ein komplett anderes Buch. Gut, das kann auch an meiner Erinnerung liegen, denn leider verblasst ja vieles, was man schon gelesen hat. Sicher ist jedoch, dass es das Buch erneut schaffte, mich zu packen und in den Bann zu ziehen. Hinzu kommt, dass ich im Oktober in St. Petersburg war und sogar die Gelegenheit hatte, durch Dostojewski alte Wohngegend, das Heumarktviertel, zu streifen. So konnte ich mir das Setting des Romans noch besser vorstellen. “Verbrechen und Strafe” ist und bleibt für mich definitiv ein Meisterwerk, das ich jedem nur ans Herz legen kann. Vielschichtig erzählt der Roman von einem Mörder, der zwar von seiner Tat zutiefst überzeugt ist, dann aber doch mehr und mehr unter Schuldgefühlen leidet. Hochspannend bis zur letzten Seite!

Fjodor Dostojewski - Verbrechen und Strafe

Fjodor Dostojewski – Verbrechen und Strafe

Ich bin nicht warm geworden mit…

Elena Ferrante. Nachdem der Hype ja unterdessen schon ein paar Jahre her ist, fasste ich mich mir dieses Jahr nun doch ein Herz und las den ersten Teil “Meine geniale Freundin”. Der Roman erzählt die Geschichte zweier Freundinnen in Neapel, die einerseits nicht ohne einander können, andererseits aber auch neidisch aufeinander sind und ehrgeizig ihre eigenen Ziele verfolgen. Insgesamt liest sich das ohne Frage sehr leicht runter, ist keineswegs langweilig – aber so richtig packen konnte mich der Roman leider nicht wirklich. Sicher eine schöne Lektüre für zwischendurch, vor allem für Italien-Liebhaber. Es reizt mich aber zunächst nicht allzu sehr die nächsten Bände zu lesen. Da gibt es einfach noch so viel mehr, was mir spannender erscheint.

Elena Ferrante - Meine geniale Freundin

Elena Ferrante – Meine geniale Freundin

Und 2019…?

..da widme ich mich nun hoffentlich meinem immer höher gewordenen Stapel ungelesener Bücher. Dort sind mit Murakami, Seethaler, Capus, Mahlke & Co. ja wirklich viele hochkarätige Autoren und Titel dabei. Ich bin gespannt und hoffe auf viel freie Zeit zum Lesen.

Für 2019 habe ich schon viel Lesestoff!

Für 2019 habe ich schon viel Lesestoff!

So, jetzt seid ihr aber dran! Wie war Euer Lesejahr 2018? Welche Bücher und Autoren haben bei Euch einen bleibenden Eindruck hinterlassen? Ich freue mich über Eure Tipps und Anmerkungen.

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    10 KOMMENTARE

  • Cornelia Hutfils 28. Dezember 2018 Reply

    So ziemlich mein Geschmack!

    • Deborah 28. Dezember 2018 Reply

      Schön, das freut mich, dass wir uns einig sind 😉 Was waren denn deine liebsten Bücher dieses Jahr?
      Herzliche Grüße
      Deborah

  • Eva 28. Dezember 2018 Reply

    Ich lese gerade Die Brüder Karamasow in Swetlana Geiers Fassung und muss sagen, dass ich von der Übersetzung etwas enttäuscht bin, wohl weil ich vorher auch nur Gutes gehört hatte (obwohl ich mich jetzt nicht mehr genau erinnern kann, wo und von wem 🤔).
    Ich schäme mich ein bisschen, dass ich die Übersetzung schlecht finde, weil ich das nämlich eigentlich gar nicht beurteilen kann: ich kenne das Original nicht und kann kein Russisch. Aber ich finde zum Beispiel ihre Anmerkungen viel weniger hilfreich und interessant als die von Rosemarie Tietze in Tolstois „Anna Karenina“ oder die von Barbara Conrad in Tolstois „Krieg und Frieden“.
    Auch finde ich irgendetwas am Text, ich weiß noch nicht genau, was, nicht richtig stimmig. Swetlana Geiers Muttersprache war russisch, nicht deutsch. Rosemarie Tietze sagte in dem Seminar „Poetik der Übersetzung“, das ich besuchen durfte, Zielsprache könne immer nur die Muttersprache sein. Ich weiß nicht, ob es nötig ist, da so hart zu sein, ich gebe das nur mal weiter, weil es mir im Kopf herumspukt.
    Ich möchte auch Swetlana Geiers Leistung nicht schmälern, ich finde es toll, was sie für die Übersetzung und Etablierung der russischen Literatur getan hat.
    „Verbrechen und Strafe“ habe ich zum Teil (das erste Drittel) als Hörbuch gehört und möchte es auf jeden Fall auch noch lesen. Swetlana Geier ist übrigens nicht die erste, die den Titel mit „Verbrechen und Strafe“ übersetzt. Aber „Schuld und Sühne“ ist natürlich trotzdem der bekanntere Titel.
    Dass Du das Buch beim zweiten Lesen als so anders empfunden hast, kann natürlich an der Übersetzung liegen. Aber ist es nicht oft so, dass Bücher in verschiedenen Lebensjahrzehnten ganz unterschiedlich auf uns wirken? Weil wir uns so verändert haben, nicht die Bücher?

    • Deborah 28. Dezember 2018 Reply

      Liebe Eva,
      vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Ob Swetlana Geiers Übersetzung nun wirklich die bessere ist, kann ich auch schwer beurteilen. Hatte zuvor die von Richard Hoffmann gelesen. Das ist aber wie gesagt schon über 10 Jahre her. Damals war ich ungefähr 16..es könnte durchaus stimmen, was du sagst über Bücher und die Wahrnehmung je nach Lebensalter/-erfahrung. Kann mich erinnern, dass ich damals das Buch innerhalb von einer Woche verschlungen habe. Jetzt (nach absolviertem Literaturstudium und neben dem Job) brauchte ich deutlich länger. Ob das nun an der Übersetzung lag, an der anderen Lebensphase? Keine Ahnung 🙂 Ich kann nur sagen, dass es wieder eine tolle Lektüre war. Schade, dass ich kein Russisch kann, so muss ich mich also erstmal weiterhin an die Übersetzungen (von Frau Geier oder anderen) halten.
      Dir auch weiterhin viel Freude bei der Dostojewski-Lektüre.
      Liebe Grüße
      Deborah

  • Eva 28. Dezember 2018 Reply

    Danke für Deinen Jahresrückblick! Ich nehme mir mal vor, mich mehr mit Peter Stamm zu beschäftigen, von dem habe ich vor einigen Jahren “Sieben Jahre” gelesen, und das fand ich sehr interessant. Und Dostojewski, oh ja! Nein, habe ich noch nicht gelesen, weder in der einen noch anderen Übersetzung. Aber ich mag sehr die russischen Klassiker 🙂
    Den Murakami “Die Ermordung des Commandante” habe ich auch schon griffbereit hier stehen, darauf freue ich mich schon!
    Meine Lesehighlights 2018 findest Du hier zusammengefasst: https://kutabu.wordpress.com/2018/12/30/erlesenes-2018/ – ich würde mich über Deinen Besuch freuen 🙂

    • Deborah 28. Dezember 2018 Reply

      Danke für deinen Kommentar 🙂 Freut mich, dass dir mein Rückblick gefällt, ich schau gleich mal bei dir vorbei.

      Liebe Grüße
      Deborah

  • Samuel Bischofberger 28. Dezember 2018 Reply

    Interessant, dass hier am meisten über Dostojewski diskutiert wird. Schön, dass die großen Klassiker noch so geschätzt werden. 🙂 Ich persönlich fand die Übersetzungen von Geier immer recht gut. Habe da aber eigentlich auch keinen direkten Vergleich von einzelnen übersetzten Werken. Teilweise sind die älteren Übersetzungen für mein Gefühl nur etwas altbacken. Am Ende ist es gewiss auch Geschmackssache. Die Brüder Karamasow fand ich sehr komplex und anspruchsvoll zu lesen.

    Aus irgendeinem komischen Grund habe ich mich im letzten Jahr überraschend sehr viel amerikanischen Sujets gewidmet und ‚Fegefeuer der Eitelkeiten‘ und ‚Back to Blood‘ von Tom Wolfe, ‚Diese gottverdammten Träume‘ von Richard Russo sowie ‚Als ich im Sterben‘ lag von William Faulkner gelesen. Wahrscheinlich will man unterbewusst verstehen was da gerade abgeht.

    ‚Der goldene Handschuh‘ von Heinz Strunk fand ich auch sehr überzeugend. Sehr interessant war aber auch die Maxim Kammerer Trilogie von den Strugatzki-Brüdern.

    LG

    Samuel

    • Deborah 28. Dezember 2018 Reply

      Hallo,
      danke für deinen Kommentar und deine Einblicke in dein Lesejahr. Mich freut es auch, dass hier noch über die guten alten Klassiker wie Dostojewski diskutiert wird. Ist ja durchaus nicht selbstverständlich.
      Tom Wolfe wollte ich auch schon lange mal lesen, allein aufgrund meiner Affinität zu Dandys. Wolfe gilt ja als einer der wichtigsten modernen Vertreter dieses (Lebens)Konzepts.
      Heinz Strunk kann ich mir dann ja vielleicht mal ausleihen 😉 Würde mich auch mal interessieren, vor allem, weil der Roman ja bald ins Kino kommt (Regie: Fatih Akin).

      Liebe Grüße
      Deborah

  • Petra 28. Dezember 2018 Reply

    Huhu Deborah,
    das klingt nach einem tollen Lesejahr. Von Murakami möchte ich auch unbedingt mal was lesen und von Frau Ferrante durfte gerade „Frau im Dunkeln“ bei mir einziehen. Bin sehr gespannt wie es mir gefallen wird.
    Ich wünsche dir auch in 2019 viele schöne Lesestunden.
    Liebe Grüße, Petra

    • Deborah 28. Dezember 2018 Reply

      Liebe Petra,
      danke! Dir auch ein tolles neues Jahr mit vielen schönen Büchern 🙂

      Liebe Grüße
      Deborah

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