Literatur Rezensionen

„Du bist ein Rätsel, mein Liebes.“ – Truman Capotes „Sommerdiebe“

Der junge Truman Capote

Der Titel meines Blogs ist inspiriert (bzw. geklaut, wenn man so weit gehen will ;)) von Truman Capotes Debütroman “Sommerdiebe”. Warum also dieses Blog nicht auch gleich mit einer Rezension (oder vielmehr Buchempfehlung) beginnen?

Ein Sommer in den 1940er Jahren. New York. Die 17-jährige Grady ist endlich mal ihre Eltern los – denn diese machen eine Europareise, ohne sie! Für sie gibt es nichts Schöneres. Sie kann sich sowieso nicht so recht mit dem High-Society-Getue ihrer Familie anfreunden, die immer nur oberflächliche Dinge wie prachtvolle Bälle oder die nächste Dinnerparty im Kopf haben. In diesem Sommer kann sie sich also einfach mal treiben lassen und all die Dinge tun, die ihr ihre Mutter sonst verbieten würde. Sie lernt ihre erste große Liebe kennen, Clyde, einen jüdischen Jungen aus einfachen Verhältnissen. Zwischen ihnen entspinnt sich eine zarte Liebesbeziehung, die zunächst ihre sozialen Unterschiede jedoch nur scheinbar auszublenden scheint…

Truman Capote beschreibt Gradys Sommer in New York in einer sehr malerischen und poetischen Sprache. Man kann die besondere Atmosphäre einer Großstadt im Hochsommer an einigen Stellen förmlich spüren, wenn es etwa heißt:

„Es war zum Umsinken auf der Lexington Avenue, besonders, weil sie gerade aus einem klimatisierten Kino gekommen waren; bei jedem Schritt gähnte ihnen der schale Atem der Hitze ins Gesicht. Ein sternenloser Nachthimmel hatte sich geschlossen wie ein Sargdeckel, und die Straße, mit ihren Zeitungsständen voller Katastrophen und den flackernden Fliegensummgeräuschen der Neonlichter, wirkte wie eine in die Länge gezogene, dumpfige Leiche. Das Pflaster war nass von einem Regen aus elektrischer Farbe.“

Wie in seinen späteren Kurzgeschichten und in seinem Hauptwerk „Frühstück bei Tiffany“ beweist Capote außerdem sein Talent zu brillianten und ausgeklügelten Dialogen, die vor allem dazu dienen, seine Figuren anschaulich zu charakterisieren. Da ist etwa auf der einen Seite die gewählte Sprache von Gradys Mutter und die intellektuelle Ausdrucksweise von Gladys bestem Freund Peter Bell, auf der anderen Seite die schnodderige Redeweise von Gladys Liebhaber Clyde. Dies zeigt nicht nur die sozialen Unterschiede dieser zwei Welten auf, in denen die Figuren leben, sondern bringt einem diese auch näher.

Die Geschichte der Teenagerin Grady, die zum ersten Mal in ihrem Leben, aus all den Konventionen, die ihre Verwandten ihr auferlegen, ausbricht, zieht einen zudem von der ersten Seite an in seinen Bann. Nicht zuletzt entführt „Sommerdiebe“ einen in die faszinierende Welt der Broadwaykinos und Bars im New York der 40er Jahre.

Ein Buch zum immer wieder Lesen – und das nicht nur an stickigen Hochsommertagen.

Truman Capote: Sommerdiebe. Übersetzt von Heidi Zerning. Kein & Aber 2006.

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