Familientreffen im Grünen, irgendwo in Westdeutschland. Der Tisch im Garten ist feinsäuberlich gedeckt, die ganze Familie ist endlich seit langem mal wieder versammelt: „Kommt ja viel zu selten vor, dass wir uns alle mal treffen“, sagt der Vater (Ernst Stötzner) und ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass für ihn und jedes andere Familienmitglied an diesem Wochenende alles anders werden wird. Mutter Gitte (Corinna Harfouch) verkündet ihrer Familie aus heiterem Himmel, dass sie nach 30jähriger psychischer Erkrankung ihre Medikamente abgesetzt hat. Sie will endlich wieder voll und ganz zur Familie dazu gehören, nicht mehr den Sonderstatus als psychisch Labile einnehmen, die von jedem mit Samthandschuhen angefasst wird.
Die Familie ist zunächst geschockt. Kann das gut gehen, nach all den Jahren plötzlich keine Medikamente mehr gegen Depressionen einzunehmen? Vor allem dem jüngsten Sohn Jakob (Sebastian Zimmler) kommen schwere Zweifel, er möchte lieber einen Arzt zurate ziehen. Auch seinem Vater Günter passt diese eigenverantwortliche Entscheidung, die seine Frau einfach mal so eben für sich allein getroffen hat, so gar nicht in den Kram. Nachdem er seinen Verlag verkauft hat und offiziell in Rente gegangen ist, möchte er sich endlich seinem eigenen Buchprojekt widmen und zur Recherche eine lange Reise nach Jordanien unternehmen – geht das, mit einer kranken Frau zuhause, die sich weigert weiter mit Psychopharmaka ruhig gestellt zu werden? Nur Marko (Lars Eidinger), Günters und Gittes ältester Sohn, sieht die Entscheidung seiner Mutter gelassen: „Man kann doch mal versuchen, wie es Mama damit geht“ entgegnet er auf die Sorgen seines Bruders und wird der Einzige in den folgenden emotional geladenen Tagen sein, der zu seiner Mutter halten wird.
Die rigide Entscheidung der Mutter wirkt wie ein Katalysator, der verborgen geglaubte Konflikte in der Familie freilegt. Die Fassade, die all die Jahre aufrechtgehalten wurde, beginnt plötzlich zu bröckeln. Geheimnisse und private Probleme, die ein jedes Familienmitglied jahrelang für sich behalten hat – auch um die anderen damit nicht zu belasten – kommen auf einmal zutage! Da ist zum Beispiel Nesthäkchen Jakob, der es einfach nicht schafft, sich von dem Einfluss seines Vaters zu lösen. Dieser finanziert ihm seine eigene Zahnarztpraxis und dass, obwohl er sich durch diese schon seit längerem immer weiter verschuldet! Dass er trotz elterlicher Unterstützung in seinem Beruf versagt, lastet schwer auf seinen Schultern. Auch Marko spielt seit Jahren nur den glücklichen Vater, der mit Frau und Kind in Berlin wohnt. In Wahrheit sind er und seine Frau schon lange in Trennung begriffen, seinen Sohn sieht er nur selten. Nicht zuletzt fallen auch bei Günter und Gitte an diesem Wochenende die Masken, hinter den Masken werden Lebenslügen und Verletzungen auftauchen, über die all die Jahre einfach immer wieder hinweggegangen wurde. Ihre Ehe? Schon lange nicht mehr glücklich. Nur wollten sie diese Tatsache einfach nicht wahrhaben.
Hans-Christian Schmid, der in Vergangenheit schon durch Filme wie Requiem und Sturm positiv in der deutschen Filmlandschaft aufgefallen ist, liefert mit Was bleibt ein überaus nachdenkliches und berührendes Familienporträt ab. Die Familienmitglieder sind allesamt sehr gut getroffen und die Konflikte authentisch dargestellt, was nicht nur an dem gelungenen Drehbuch, sondern auch an den grandiosen schauspielerischen Leistungen liegt. Vor allem Lars Eidinger als sensibler Sohn, der als Einziger die Motivation seiner Mutter verstanden zu haben scheint, ist in seiner Rolle sehr überzeugend, ebenso wie Corinna Harfouch, die diese zartbesaitete, aber resolute Mutter und Ehefrau mit großer Intensität verkörpert. Was bleibt lässt einen bewegt im Kinosessel zurück, während des Films überkommt einen immer wieder eine Gänsehaut – vielleicht, weil man ahnt, dass es solche Familien in der Realität wirklich gibt. Dass sich solche Szenen tatsächlich genauso in irgendwelchen deutschen Wohnzimmern abspielen könnten oder sogar tun. Was bleibt? Ein Film, der in erster Linie durch seine Authentizität in Erinnerung bleibt.
3 KOMMENTARE
[…] Der neue Film von Hans-Christian Schmid “Was bleibt” zeichnet ein intimes Bild einer Familie, die nur vordergründig glücklich zu sein scheint. An einem einzigen Wochenende beginnt die Fassade gefährlich an zu bröckeln. Verborgen geglaubte Konflikte treten zutage… Echt sehenswertes Drama, was vor allen dem hervorragenden Schauspielerensemble (allen voran Lars Eidinger und Corinna Harfouch) zu verdanken ist! Da mich der Film sehr bewegt hat, konnte ich mal wieder nicht anders, als meine Gedanken zu einer Rezension zu verarbeiten. Siehe Farbfilmblog! […]
[…] der 10 besten Filme gegen den Krieg buecher.de: Filmtipp: Das Bourne Vermächtnis Farbfilmblog: Was bleibt Abgehört: Die wichtigsten CDs der Woche (18.09.2012) MusikBlog: Correatown – […]
Hi, finde den Film sehr tiefgreifend. Was mir nur nicht so sehr gefallen hat, war das Ende 🙁 Corinna Harfouch spielt Ihre Rolle perfekt.
VG
Marvin