Gestern habe ich mal wieder einen kleinen Theaterausflug nach Weimar unternommen. Auf dem Spielplan stand Bertolt Brechts Klassiker „Die Dreigroschenoper“, ein Stück das ich schon immer sehen wollte. Die darin enthaltenen Songs, allen voran die Moritat von Mackie Messer, sind weltberühmt. Doch wer ist eigentlich dieser Mackie Messer? Dieser ist ein Gangsterboss, der in der Unterwelt Londons sein Unwesen treibt. In dieser korrupten Welt hat er jedoch einen Konkurrenten – Peachum, den Chef der Bettlermafia, die darauf spezialisiert ist, den Bürgern mit perfiden Strategien das Geld aus der Tasche zu ziehen. Mackie Messer hat deren Tochter, die schöne Polly, aus seinem Haus gelockt und klammheimlich geheiratet. Keine Frage, dass sich Peachum das nicht gefallen lassen will…ein Duell zwischen den beiden Gangstern entbrennt!
Die Weimarer Inszenierung wartet mit einem ideenreichen Bühnenbild und überaus talentierten Schauspielern und Musikern auf. Mackie Messer wird als Pimp mit Perlenkettchen charakterisiert, seine Geliebte Polly als naives Mädchen, das sich im Laufe des Stücks sowohl äußerlich als auch innerlich immer mehr zur skrupellosen Gangsterbraut entwickelt. Während am Anfang noch von der Liebe, nur der Liebe die Rede ist, ist auch Pollys Handeln ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch von Machthunger und Geldgier bestimmt. Die zahlreichen Lieder, die zum Besten gegeben werden, haben trotz des Alters des Stücks (Erstaufführung der Dreigroschenoper 1928) nicht im Geringsten an Aktualität eingebüßt. Funktioniert unsere heutige Gesellschaft denn nicht auch so, dass der Mensch stets nach Erfolg und Macht strebt? Und dabei nicht unbedingt immer moralisch handelt? Erzählen Songs wie „Das Lied der Unzulänglichkeit des menschlichen Strebens“ nicht gewissermaßen auch von unserer Zeit?
Auch wenn Brecht die Handlung des Dramas komplett in die korrupte Londoner Unterwelt verlegt hat, wollte er damit sicher auch damals schon folgendes zeigen: dass die Sehnsüchte der Gauner, Huren und Bettler sich gar nicht so sehr von denen der guten, bürgerlichen Gesellschaft unterscheiden! Indirekt übt Brecht, der mit seinem „Epischen Theater“ immer auch politische Ziele verfolgte, zweifellos eine Kritik am herrschenden System, an der Immoralität der „guten“ Bürger und deren unbarmherzigen Streben nach Macht. Trotz dieser politischen Dimension wirkt sein Stück jedoch nie verkopft, was auch auf die zahlreichen Musikeinlagen zurückzuführen ist.
Das Weimarer Ensemble hat in jedem Fall gute Arbeit geleistet, diesen modernen und ohne Frage zeitlosen Klassiker wieder zum Leben zu erwecken. Die Songs sind mitreißend und es macht Spaß, den Schauspielern in dieser düsteren und menschenverachtenden Welt zuzusehen. Es wird einen das ungute Gefühl nicht los, dass diese Figuren mit ihren fragwürdigen Handlungen weitermachen werden wie bisher. Moral, wozu?
Nach drei kurzweiligen (!) Stunden ist das Stück zu Ende. Tosender Beifall. Ein wenig nachdenklich gestimmt, aber auch sehr beschwingt mit der einen oder anderen Liedzeile im Kopf mache ich mich wieder auf den Heimweg Richtung Jena. „Die Dreigroschenoper“ in Weimar – ein außergewöhnliches Theatererlebnis. Gerne jederzeit wieder! „Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht…“
3 KOMMENTARE
Hi! Sehr schöne und gut geschriebene Rezension. Scheint ja ein gelungener Abend gewesen zu sein 🙂
klingt nach einer großartiger aufführung. die dreigroschenoper kenne ich bisher nur von aufzeichnungen; leider.
Sehr schön geschriebener Artikel,kriegtman direkt Lust, sich das in Weimar anzuschauen und war wohl eine sehr junge Besetzung.