Film

La Grande Bellezza – Die große Schönheit (2013)

Die große Schönheit in großen Bildern. Was der italienische Regisseur Paolo Sorrentino in seinem neuen Werk präsentiert, ist ohne Frage eindrucksvoll und auf der visuellen Ebene bis aufs kleinste Detail perfekt durchkomponiert. Die Handlung siedelt er in der High Society Roms an, in der der Champagner nur so in Strömen fließt und der ausschweifende, dekadente Lebensstil regiert. Mittendrin befindet sich der alternde Dandy und Lifestyle-Journalist Jep Gambardella, in dessen Leben sich zunehmend Melancholie und Nachdenklichkeit einschleichen. Vor 40 Jahren hat er zwar einen erfolgreichen Roman geschrieben, hat seitdem zu seinem Leidwesen und auch aufgrund des großen Nichts, was ihn umgibt, kein weiteres literarisches Werk mehr zustande bekommen. Stattdessen lebt er in den Tag hinein, feiert ausgelassene Partys auf seiner Dachterrasse unweit des Kolosseums, umgibt sich mit versnobten Künstlertypen und Selbstdarstellern, die wichtigtuerisch von Proust und Shakespeare faseln – und sicher bald ganz groß in der Film- und Theaterwelt rauskommen werden. Ja, klar…

Jep lässt sich die Tage nach seinem 65. Geburtstag durch diese Leere treiben. Er trifft auf alte Bekannte, schrille und illustre Gestalten, reflektiert über sich und seine Vergangenheit – und ist dabei ein Suchender. Wonach, wird zunächst nicht explizit gesagt, doch man spürt, dass diese Figur etwas antreibt: eine tiefe Sehnsucht nach Halt und Geborgenheit? In den insgesamt 142 Filmminuten werden zwischen allerlei ästhetischen Spielereien, schönen Frauen und sonderbaren Vertretern der römischen Schickeria auch immer wieder Ansätze von alternativen Lebenskonzepten offenbart. Eine Hinwendung zur Kirche etwa, das Gründen einer Familie. „Wurzeln sind wichtig“, heißt es an einer Stelle. Doch gleichzeitig unterläuft „La Grande Bellezza“ diese möglichen haltgebenden Instanzen immerzu. Der vorgestellte Kardinal verkündet lieber Kochrezepte als spirituelle Wahrheiten, Ehen sind in der Regel unglücklich und von Betrügereien und Unehrlichkeit begleitet. Dieses Rom, in dem Jep sein Dasein als zynischer Beobachter fristet, ist von Desillusionierung und Verbitterung geprägt. Moral, wozu? Wann findet die nächste Party statt? Wie gelingt es uns, unser mühsam errichtetes Selbstbild zu erhalten und die zahlreichen Lebenslügen und Verletzlichkeiten, die unter unseren botoxgespritzten Körpern lauern, weiterhin zu verbergen? Dies scheint der Grundtenor nahezu jeder mondänen Gestalt in dieser vor Dekadenz und Oberflächlichkeit nur so triefenden Lebensumgebung zu sein.

Der Vergleich mit Federico Fellinis „La dolce vita“, der in zahlreichen Filmkritiken ins Felde geführt wird, ist durchaus berechtigt, da Sorrentinos Film in der Tat einige Anspielungen auf jenes bittere Gesellschaftsporträt aus dem Jahre 1960 enthält. Die Grundsituation ist ähnlich, auch hier flaniert ein Boulevard-Journalist durch das nächtliche Rom und lässt sich vom rauschhaften Leben einlullen – nicht ohne sich gleichzeitig ernsthaften existentiellen Fragen des menschlichen Daseins zu stellen. Auch in Fellinis Film  ist ein Abgesang auf die christliche Kirche eingebettet, jedoch auch eine harsche Kritik an dem exzentrischen und sinnentleerten Lebenskonzept der oberen Zehntausend.

Mag sein, dass Sorrentino zuweilen an seinem großen Vorbild ein wenig scheitert und sich für seinen eigenen Film etwas viel vorgenommen hat. Gerade gegen Ende überschlägt sich der Film vor weiteren eindrucksvollen ästhetischen Bildern, jedoch entfernt er sich hierbei immer weiter von seinem roten Faden und lässt beim Zuschauer zunehmend Verwirrung aufkommen. Auch weil sich der Sinn nicht mehr vollständig erschließt. Ästhetik um ihrer selbst willen? Im Großen und Ganzen ist „La Grande Bellezza“ aber aufgrund seiner beeindruckenden Opulenz und auch dem feinen, leicht bissigen Humor in jedem Fall sehenswert. Ob nun für Rom- und Fellinifans oder auch für alle anderen Ästheten.

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    2 KOMMENTARE

  • […] Ein alternder Dandy flaniert durch das wunderschöne Rom? Keine Frage, schon als ich diese Inhaltsangabe las, war klar: Den Film muss ich sehen! Es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Paolo Sorrentinos Film wartet mit eindrucksvollen, opulenten Bildern auf. Und dazu noch ein Hauptdarsteller, der den zynischen, in die Jahre gekommenen Lebemann perfekt verkörpert! Meine ausführliche Rezension lest ihr jetzt im Farbfilmblog. […]

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