Der verdeckte Ermittler Daniel, der zuletzt bei einem Einsatz in der Neonazi-Szene schwer verletzt wurde, hat genug von seiner Arbeit beim Verfassungsschutz. Er will aussteigen und endlich ein ruhiges Leben führen. Sein Vorgesetzter lässt ihn zwar nur ungern ziehen, bietet ihm jedoch an, eine Wohnung in Berlin-Neukölln zu beziehen und die vergangenen traumatischen Ereignisse erstmal ziehen zu lassen, um dann hoffentlich doch in seinen alten Job als V-Mann zurückzukehren.
Neukölln, immer noch einer der Problembezirke Berlins, empfängt Daniel nicht gerade mit offenen Armen. Die verranzte Bude mit kaputten Fensterläden und abgeblätterten gelben Tapeten war sicher noch nie besonders wohnlich. „Neukölln, is echt ‘ne Scheißjegend,“ urteilt der Taxifahrer, der ihn zu seinem neuen Domizil fährt. Trotz abgewrackter neuer Wohnumgebung lernt Daniel schon bald die muslimische Nachbarschaft kennen und schließt – nach mehr oder minder erfolgreichem Fernseher-Kauf – Freundschaft mit Abbas und Jamal, die in der gleichen Straße einen Handyladen betreiben. Er taucht schon bald tief in die muslimische Lebenswelt ein, sitzt mit seinen neuen Freunden in kuschligen Wohnzimmern, raucht Wasserpfeife und trinkt mit den anderen Männern aus der Nachbarschaft am Nachmittag Tee.
Und doch bleibt Daniel, so schnell er auch Anschluss findet, fremd in seiner Umgebung. Seine Vergangenheit holt ihn immer wieder ein. Der scheinbar feste Boden unter seinen Füßen beginnt immer wieder zu wanken, wenn er beispielsweise wieder einmal zu halluzinogenen Drogen greift oder sich alleine in seiner Wohnung mit Wodka betrinkt. „Wir sind alle das Produkt unserer Vergangenheit“, formuliert er einmal und meint damit seinen eigenen schwachen Charakter, der es ihm möglich machte, jahrelang für den Verfassungsschutz zweifelhafte politische Gruppierungen zu beobachten, ohne wirklich hinter seiner Tätigkeit und den vertretenen Ideologien zu stehen. Frederick Lau spielt die Zerrissenheit des V-Manns, der zwischen Vergangenheit und Gegenwart gefangen ist, sehr überzeugend. Er vermag es, dass man dem ruhigen, unscheinbaren jungen Mann – trotz seiner zweifelhaften Vergangenheit – Sympathie entgegenbringt. Auch das Abtauchen in muslimische Alltagswelten macht den Film zu einem erfrischenden Erlebnis. Authentisch und ohne dabei in die Klischee-Falle zu tappen vermittelt „Ummah – Unter Freunden“ spannende Einblicke in das Leben von Migranten in Berlin-Neukölln.
Gerade zu Beginn zeichnet sich der Film durch seinen spritzigen Humor aus, der einem die eine oder andere Lachträne ins Auge zaubert. Wer jemals eine Wohnung tapeziert und versucht hat, eine Weinflasche mit Geschenkpapier einzupacken, wird sich wiedererkennen und sich ein Grinsen nicht verkneifen können. Im Großen und Ganzen rutscht „Ummah – Unter Freunden“ jedoch – glücklicherweise – nicht ins Klamaukige ab, sondern bleibt schlussendlich doch bei seinem sehr ernsten Grundthema. An der einen oder anderen Stelle wurde zugegenermaßen zwar eine doch sehr starke Schwarz-Weiß-Malerei vorgenommen – einer der Aspekte, die den Film zum Ende hin in seiner Wirkung ein wenig absinken lassen. Aber was soll’s! Der deutsch-türkische Filmemacher Cüneyt Kaya hat mit seinem Debütfilm ohne Frage eines geschafft: mal wieder ein bisschen frischen Wind in die teilweise doch etwas verstaubte deutsche Filmlandschaft zu bringen und die – oft viel zu oft ausgeblendete – Lebenswirklichkeit von muslimischen Einwanderern in Deutschland in den Fokus zu rücken.
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