Inhalt in 3 Sätzen: Ein Ehepaar im Supermarkt, das sich über Banalitäten wie die Wahl der richtigen Käsesorte streitet, aber auch Familien, Liebhaber und Einzelgänger, die auf den ersten Blick glücklich zu sein scheinen, es aber in Wahrheit nicht sind. Yasmina Reza greift in ihrem neuen Buch erneut ihr Lieblingsthema auf: die Fassadenhaftigkeit, die im Alltag und in zwischenmenschlichen Beziehungen an jeder Ecke lauert – nichts ist, wie es scheint. Sie lässt in jedem Kapitel eine andere Figur zu Wort kommen, welche jeweils ihre Sichtweise auf sich selbst und die Heuchelei anderer formuliert.
Lieblingszitat: “Gut, bist du jetzt fertig mit Einkaufen?, sag ich zu Odile und schiebe mit einem abrupten Stoß den Einkaufswagen vorwärts, sonst brauchen wir keinen Mist mehr? – Wie redest du mit mir! Ist dir klar, wie du mit mir redest! Ich sage, geh weiter. Los! Nichts ärgert mich mehr als diese plötzliche Beleidigtheit, wenn alles stehenbleibt, alles erstarrt. Natürlich könnte ich sagen, Entschuldige bitte. Nicht einmal, ich müsste es zweimal sagen, im passenden Tonfall. Wenn ich zweimal im passenden Tonfall Entschuldige bitte sagen würde, könnten wir mehr oder weniger normal in den restlichen Tag starten, nur habe ich überhaupt keine Lust, diese Worte auszusprechen, es ist mir physiologisch unmöglich, wenn sie mitten im Gang mit den Gewürzen stehenbleibt, vor Entrüstung und Unglück entgeistert.”
Wie bereits in ihrem berühmten Theaterstück “Der Gott des Gemetzels” sind es in Rezas Roman oft die kleinen Worte und die alltäglichen Trivialitäten, die aufgestaute Aggressionen und unterdrückte Gefühle an die Oberfläche bringen. In den insgesamt 21 knappen Episoden merkt man deutlich die Theatererfahrung der Autorin, sodass das Geschilderte insgesamt sehr lebensnah und anschaulich wirkt. Auch wenn man sich an den dialogartigen Schreibstil und den ständigen Wechsel der Figurenperspektive gewöhnen muss, beginnen sich die einzelnen Lebensgeschichten der Figuren mit der weiteren Lektüre immer mehr zu überschneiden und das große, unentwirrbare Puzzle der Unglücklichen fügt sich nach und nach zu einem großen Gesamtbild zusammen.
Dieses Buch ist für Leser, die sich für lebendige Kurzprosa und die psychologischen Abgründe von Menschen wie du und ich interessieren. Sicher bricht Yasmina Reza in ihrem Werk den Glücksbegriff wieder stark herunter und lässt ihre Figuren (allesamt aus dem bürgerlich kultivierten Milieu, Stichwort: Luxusprobleme?) sehr drastisch in ihrem Selbstmitleid suhlen. Lesenswert ist “Glücklich die Glücklichen” aber allemal.