Literatur

Literatur in 300 Wörtern (23): Patrick Modiano – Die Gasse der dunklen Läden

Patrick Modiano - Die Gasse der dunklen LädenInhalt in 3 Sätzen: Paris in den 1960er Jahren – ein Mann hat das Gedächtnis verloren und begibt sich auf die Suche nach seiner Vergangenheit. Mithilfe von allerhand teils zwielichtigen teils sonderbaren Zufallsbekanntschaften, alten Fotos, Telefonbüchern und unzähligen anderen Anhaltspunkten, die er auf seinen Streifzügen durch die Metropole erlangt, fügt sich nach und nach ein Mosaik aus verdrängten Erinnerungen zusammen. Doch inwieweit handelt es sich bei dieser wiedererlangten Vergangenheit letztendlich um ein Konstrukt: was ist wahr, was Fiktion?

Lieblingszitat: „Plötzlich regte sich etwas in mir, als würde auf einen Auslöser gedrückt. Der Blick, den ich von diesem Zimmer hatte, rief in mir ein Gefühl der Unruhe, der Besorgnis wach, wie ich sie schon einmal verspürt hatte. Diese Häuserfassade, diese leere Straße, die wachestehenden Schatten in der Dämmerung. Mich beschlich ein Gefühl wie bei einem fast vergessenen Lied oder einem vertrauten Parfum. Ich war mir jetzt sicher, daß ich oft zu dieser Stunde hier gestanden hatte, reglos, hinausspähend, ohne selbst gesehen zu werden und ohne es zu wagen, eine Lampe anzuzünden.“

Patrick Modiano – Die Gasse der dunklen Läden

„Patrick..wer?“ So ging es wohl selbst belesenen Literaturliebhabern, als im letzten Jahr der Name des Literatur-Nobelpreisträgers verkündet wurde. In der Tat handelt es sich bei Modiano um einen noch recht unbekannten Autor, der trotz zahlreicher Veröffentlichungen als Schriftsteller nur kaum und wenn dann nur weit abseits des grellen Rampenlichts wahrgenommen wurde. Zu Unrecht! Modianos Romane spielen meistens in Paris und behandeln zum größten Teil Erinnerungen und den Versuch, die eigene Vergangenheit zu bewältigen. Häufig wird die Besetzung von Paris durch die Nazis und deren Folgen für die Zivilbevölkerung thematisiert. Sein früher Roman „Die Gasse der dunklen Läden“ entfaltet seine Sogwirkung vor allem dadurch, dass sich der Leser gemeinsam mit dem Protagonisten auf Spurensuche begibt. Mit jeder neuen Fremdaussage, jedem noch so vergilbten Schwarzweißfoto beginnt das verworrene Puzzle mehr Struktur zu erlangen. Gleichzeitig lassen sich letztendlich nicht alle Hinweise sinnvoll einfügen – Erinnerungen sind eben doch stark von subjektiven Sichtweisen und Empfindungen geprägt. Der Roman “Die Gasse der dunklen Läden” entlässt den Leser also durchaus mit Fragezeichen aus der Erzählung.

Dieser Roman ist für Leser, die sich an schlichter und schnörkelloser Prosa erfreuen. Modiano erzählt eine spannende Identitätssuche, die sich locker-leicht lesen lässt. Ganz nebenbei führen die Spaziergänge der Hauptfigur durch das stimmungsvolle, wenn auch stellenweise sehr düstere Paris. Wer bereits in der französischen Hauptstadt war, wird hier einiges wiedererkennen. Mein Fazit: Dieser Autor verdient definitiv mehr Aufmerksamkeit. Der nächste Modiano-Roman Villa Triste liegt schon zur Lektüre bereit!

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