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Haruki Murakami: Der berühmteste japanische Schriftsteller im Porträt

Haruki Murakami, der berühmte japanische Schriftsteller (Foto: Sommerdiebe.de)

Jeder, der sich für japanische Literatur interessiert, stolpert früher oder später über das umfangreiche literarische Werk von Haruki Murakami. Der japanische Schriftsteller hat mittlerweile bereits rund 30 Werke verfasst, darunter Romane, Erzählungen und Sachbücher. Sein ganz eigener charakteristischer Gestus, der eine oft zunächst wirklichkeitsnahe Handlung mit surrealen Elementen im Stil des sogenannten “Magischen Realismus” verknüpft, hat ihn längst weltberühmt gemacht und zieht immer mehr Leser/innen in seinen Bann. Mittlerweile wurden seine Bücher bereits in rund 40 Sprachen übersetzt. In diesem Beitrag möchte ich Euch den Superstar der japanischen Literatur und ewigen Anwärter für den Nobelpreis für Literatur vorstellen und Euch vermitteln, warum es sich lohnt, diesen Autor kennen und lieben zu lernen.

Haruki Murakami: Sein Leben

Haruki Murakami wurde 1949 in Kyoto geboren und studierte nach der Schule Theaterwissenschaften und Drehbuchschreiben in Tokyo. 1974 rief er seinen eigenen Jazzclub namens “Peter Cat” ins Leben, den er bis 1982 leitete. Musikalische Referenzen finden sich daher auch häufig in seinen Büchern. So werden zum Beispiel häufig Songtexte zitiert oder die Buchtitel selbst beziehen sich auf bekannte Bands und ihre Lieder (z.B. “Norwegian Wood” von The Beatles).

Neben seiner Arbeit im Jazzclub verfasste er nachts am Küchentisch bereits seine ersten literarischen Texte. Schließlich entschloss er sich jedoch dazu, seine schriftstellerische Tätigkeit langfristig zu seinem Hauptberuf zu machen. In seinem Essay-Band “Von Beruf Schriftsteller” erwähnt er, dass ihm diese Eingebung eines Tages plötzlich auf sehr überraschende Weise bei der Betrachtung eines Baseball-Matches gekommen sei. In den 1980er und 90er Jahren reiste und lebte er unter anderem für längere Zeit in den USA und in Europa (u.a. Frankreich, Italien und Griechenland). In den USA war er für eine Zeit lang als Gastdozent an unterschiedlichen Universitäten tätig. Später übersetzte er unter anderem Werke von berühmten US-amerikanischen Autoren wie Raymond Chandler, John Irving, Truman Capote und Raymond Carver ins Japanische und machte ihre Literatur in seinem Heimatland bekannt.

Stil & Themen von Haruki Murakami: Das macht seine Literatur aus

Haruki Murakami hat einen ganz eigenen, unverwechselbaren Schreibstil, den man auf den ersten Blick erkennt. Meist ist die Sprache recht schlicht gehalten. In der Handlung werden häufig reale und fantastische Elemente miteinander verwoben. Was ist Traum und was ist Wirklichkeit? Murakamis Romane fordern den Leser immer wieder heraus, über seine eigenen Grenzen zwischen diesen beiden Sphären nachzudenken und diese für die Dauer der Lektüre zu verschieben. Die Hauptfiguren sind oft introvertierte Menschen, die zurückgezogen leben und ganz und gar in eher einsamen Tätigkeiten wie dem Schreiben, dem Hören von (klassischer) Musik oder dem Malen von Gemälden aufgehen.

Gleichzeitig spielen zwischenmenschliche Beziehungen oft eine wichtige Rolle. Sei es, dass die Hauptfigur sich nach einer verflossenen Liebe sehnt, über die Vergangenheit nachsinnt oder sich vergeblich auf die Suche nach einst wichtigen Personen in ihrem Leben macht. Melancholie, philosophische Gedanken über das Leben und die Liebe sowie ein Hang zum Fantastischen – dies sind definitiv Zutaten, die einen typischen Murakami-Roman charakterisieren. Oft wird Murakami durch seine Stil und seine Themen in eine Reihe mit berühmten Schriftstellern wie Franz Kafka oder Dostojewski gestellt.

Der japanische Schriftsteller hat mittlerweile bereits rund 30 Werke verfasst, darunter Romane, Erzählungen und Sachbücher. (Foto: Sommerdiebe.de)

Der japanische Schriftsteller hat mittlerweile bereits rund 30 Werke verfasst, darunter Romane, Erzählungen und Sachbücher. (Foto: Sommerdiebe.de)

Die 5 beliebtesten Werke von Haruki Murakami

1. Gefährliche Geliebte

Der Roman, der das berühmte “Literarische Quartett” entzweite und sogar angeblich zu seiner Auflösung geführt haben soll, zählt definitiv zu den bekanntesten Werken von Haruki Murakami. Grund für die kontroverse Debatte waren vor allem die Textstellen, die die erotische Beziehung zwischen den Figuren beschrieben. Literaturkritikerin Sigrid Löffler empörte sich über die flapsige Sprache und sprach Murakami jegliches literarisches Talent ab. Marcel Reich-Ranicki und Hellmuth Karasek verteidigten den Roman jedoch vehement, was letztendlich zum Ausstieg Löfflers aus dem Quartett führte.

Thematisch dreht sich der Roman “Gefährliche Geliebte” um einen verheirateten Jazzbarbesitzer, der nach Jahren seine verschwunden geglaubte Kindheitsliebe wiederfindet. Diese schicksalshafte Begegnung wirbelt sein Leben gehörig durcheinander. Unterdessen wurde das Buch unter dem neuen Titel “Südlich der Grenze, westlich der Sonne” neuübersetzt. U.a. soll der Stil nun deutlich geschliffener und näher am japanischen Originaltext sein…dies dürfte eventuell auch Frau Löffler freuen, die gerade dies bemängelt hatte.

2. 1Q84

Bei “1Q84” dürfte es sich um Murakamis seitenstärkste Werk handeln. Es besteht aus 3 Teilen, die in zwei Bänden herausgegeben wurden. Doch die Länge sollte Euch nicht abschrecken, wenn Ihr eine gut geschriebene und spannende Geschichte rund um die beiden Hauptfiguren lesen möchtet. Im Zentrum der Handlung steht die Auftragskillerin Aomame, die durch eine ausgeklügelte Technik Männer um die Ecke bringt und ansonsten ein eher isoliertes Leben führt.

Parallel dazu wird die Geschichte von Tengo erzählt, der zwar als Mathe-Lehrer arbeitet, insgeheim aber schon lange von seinem ersten richtigen Roman träumt. Unverhofft bekommt er die Chance, das literarische Werk einer jungen Nachwuchsschriftstellerin grundlegend zu lektorieren und dabei sein Schreibtalent unter Beweis zu stellen. Zunächst sind beide Handlungsstränge voneinander getrennt. Je mehr wir jedoch weiterlesen, lassen sich immer mehr Überschneidungen feststellen. Aomame und Tengo kennen sich – und sind ohne ihres Wissens in die Parallelwelt 1Q84 geraten.

Murakami ist hier einmal mehr ein echter “Page-Turner” gelungen, der einfach süchtig macht. Werden Aomame und Tengo, die bereits seit Kindheitstagen auf schicksalshafte Weise miteinander verbunden sind, endlich zusammenfinden? Wie gehen sie mit den Hindernissen um, die sich ihnen in den Weg stellen? Wer ein bisschen Zeit mitbringt und insgesamt rund 1600 Seiten nicht scheut – auf geht’s! Ihr werdet es nicht bereuen.

3. Naokos Lächeln

Naokos Lächeln entführt uns als Leser in das Tokio der späten 1960er Jahren. Der Theaterstudent Toru Watanabe treibt ziellos durchs Leben und hat den Suizid seines besten Freundes immer noch nicht so recht verwunden. Dann trifft er Naoko, eine frühere Freundin seines besten Kumpels. Sie kommen sich schnell näher und entdecken eine tiefe Verbundenheit miteinander. Doch die Vergangenheit und vor allem die seelischen Wunden von früher lassen sich nicht so einfach ausblenden…

Murakami ist mit seinem Werk ein sehr sensibler aber gleichzeitig auch nachdenklich stimmender Roman gelungen. Existentielle Fragen spielen eine wichtige Rolle und vermitteln eine melancholische Grundstimmung. Hier habe ich Euch “Naokos Lächeln” bereits ausführlich vorgestellt.

4. Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Der Roman “Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki” entfacht eine enorme Sogwirkung. Denn zu gern möchte man als Leser herausfinden, warum die Hauptfigur Tsukuru vor Jahren von ihren besten Freunden einfach fallen gelassen wurde wie eine heiße Kartoffel. Erst 16 Jahre später entschließt er sich auf Anraten einer Freundin dazu, sich endlich mit seiner verdrängten Vergangenheit und den tiefgreifenden Verletzungen von damals auseinander zu setzen – und macht auf der Suche nach seinen alten Schulfreunden einige unerwartete Entdeckungen. Hier erfahrt Ihr mehr über den Roman “Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki”.

5. Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Für den Einstieg in das Murakami-Universum würde ich “Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt” zwar nicht empfehlen. Doch für fortgeschrittene Murakami-Fans und/oder Leser, die Fantasy-Elemente lieben, ist dieses Werk auf jeden Fall sehr lesenswert. In “Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt” gerät ein junger Mann, der als Kalkulator Daten verschlüsselt, zwischen die Fronten zweier Organisationen, die sich einen unerbittlichen Krieg um geheime Daten liefern.

Nach und nach findet der Erzähler heraus, dass sich durch geheim durchgeführte Versuche in seinem Gehirn eine weitere Welt befindet, in die er gegen seinen Willen nun Schritt für Schritt hineingesogen wird. Ob Schranktüren, die einen Zugang zu einer Parallelwelt darstellen oder düstere Gegner, die in Tunneln der Tokioter U-Bahn lauern – verrückter und sonderbarer geht es kaum. Dennoch macht dieser skurrile Roman viel Freude. Für Hochspannung ist in jedem Fall gesorgt. Eine ausführliche Rezension könnt Ihr hier nachlesen.

Haruki Murakami, Autor von Romanen wie "Gefährliche Geliebte", "1Q84" und "Naokos Lächeln"

Haruki Murakami, Autor von Romanen wie “Gefährliche Geliebte”, “1Q84” und “Naokos Lächeln”

Haruki Murakami im O-Ton:

“I know how fiction matters to me, because if I want to express myself, I have to make up a story. Some people call it imagination. To me, it’s not imagination. It’s just a way of watching.”

“I find writing novels a challenge, writing stories a joy. If writing novels is like planting a forest, then writing short stories is more like planting a garden.”

Und sonst so?

Haruki Murakami wird schon lange als großer Favorit für den Nobelpreis für Literatur gehandelt. Bis dato hat er den Preis jedoch nicht erhalten. Murakami selbst sieht das entspannt: Er selbst hält nicht viel von literarischen Auszeichnungen und Preisen. Murakami scheut öffentliche Auftritte und scheint – wie seine zahlreichen Romanfiguren – eher ein zurückgezogenes Leben anzustreben. Stattdessen möchte er einfach das tun, was er liebt: Schreiben. Und das macht ihn umso sympathischer.

Nun seid Ihr dran: Welche Bücher von Murakami habt Ihr am liebsten gelesen? Was mögt Ihr an seiner Literatur? Wenn Ihr noch Lektüre-Tipps habt, immer her damit. Über weitere japanische Autoren/innen habe ich übrigens hier geschrieben.

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    6 KOMMENTARE

  • Anja 26. Juli 2019 Reply

    Liebe Deborah, ich habe vor einigen Jahren “Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki” verschlungen. Ich konnte nicht aufhören bevor ich nicht wusste, was passiert war. Seitdem will ich immer mal wieder was von ihm lesen, mir kommen aber immer wieder andere Bücher dazwischen. Aber deine Liste hat mir wieder eine Menge Lust gemacht. Liebe Grüße, Anja

    • Deborah 26. Juli 2019 Reply

      Hallo liebe Anja,
      freut mich sehr, dass mein Beitrag dich inspiriert, wieder einen Murakami zu lesen 🙂

      Viel Spaß und liebe Grüße
      Deborah

  • […] Murakami hat es auch dieses Jahr wieder geschafft auf Platz 1 zu landen, diesmal mit seinem Roman “Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki”, der von einem jungen Japaner handelt, der plötzlich von einem Tag auf den anderen von seinen besten Freunden gemieden wird und nicht den Grund dafür erfährt. Was ist los? Was hat er gemacht, dass seine Freunde nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen? Diese Fragen beschäftigen einen auch als Leser und somit baut der Roman große Spannung auf. […]

  • […] konnte. Und wer weiß, wann dies der Fall sein wird. Auch diesem Jahr waren wieder einige Werke von Haruki Murakami dabei. Gut, dass er als Schriftsteller so fleißig ist – denn so gibt es immer viel […]

  • […] ich noch viele Worte über Haruki Murakami verlieren? Eigentlich nicht. Denn ohne Zweifel ist er wohl nach wie vor der bekannteste […]

  • […] der gleichnamigen Kurzgeschichte sowie der Erzählung “Scheherazade” von Haruki Murakami – beides erschien 2014 im Kurzgeschichtenband Von Männern, die keine Frauen haben […]

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