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Literatur in 300 Wörtern (54): Regina Scheer – Machandel

"Machandel" von Regina Scheer

Inhalt von “Machandel” in 3 Sätzen:

Das kleine verträumte Dorf Machandel in Mecklenburg: Clara hat sich hier bereits in den 1980er Jahren ein verwunschenes Sommerhaus gekauft. Schon ihr Vater, ein überzeugter Kommunist und ehemaliger KZ-Insasse, hat hier Zuflucht gefunden, ebenso wie ihr Bruder, der allerdings noch vor der Wende in den Westen gezogen ist. Regina Scheers multiperspektivischer Roman “Machandel” rollt die historischen Ereignisse eines Dorfes auf, widmet sich den Einzelschicksalen seiner Bewohner*innen und zeigt anhand einer Familie, wie politische und persönliche Träume und Utopien zusehends immer weiter zerfallen.

Lieblingszitat aus “Machandel”:

“Ich spürte und wusste allmählich, dass an diesem Ort, in unserem eigenen Haus, etwas geschehen war, das nicht vergessen war, das sich jederzeit plötzlich zeigen konnte, als ein Schmerz in Nataljas Gesicht, als ein Verstummen im Gespräch der Frauen am Bus, in der Geste, mit der sie sich kaum merklich von Wilhelm abwandten. Dieses Ungesagte verwob sich für mich mit dem Märchen vom Machandelboom, es machte mich traurig. Dennoch fuhren wir so oft wie möglich nach Machandel, als würden wir nur an diesem Ort festhalten können, was uns allmählich verloren ging.”

Regina Scheers Roman “Machandel”: Ein Mosaik aus Erinnerungen

Ein dichtes Mosaik aus Erinnerungen, Einzelschicksalen und dramatischen geschichtlichen Entwicklungen. Regina Scheers Roman verwebt unzählige Erzählstränge miteinander und lässt abwechselnd verschiedene Figuren mit ihrer persönlichen Perspektive auf die Geschichte zu Wort kommen. Teilweise wirkt der Roman so, als würde man in einem alten Familienalbum blättern und sich von jemandem die dargestellten Situationen und Geschehnisse nacherzählen lassen. Der häufige Wechsel der Erzählperspektive lässt den Roman sehr lebendig wirken. Es macht bei der Lektüre viel Freude, wie sich die einzelnen Erinnerungsbilder immer weiter verdichten und zu einer schlüssigen Erzählung zusammenfügen. Mich hat der Roman stellenweise auch an Eugen Ruges “In Zeiten des abnehmenden Lichts” erinnert, der ebenso mit Multiperspektivität arbeitet und den Plot von unterschiedlichen Figuren erzählen lässt.

Darüber hinaus bietet “Machandel” einen vielschichtigen Einblick in die deutsche Geschichte. Der Roman umfasst zeitlich einen Umfang von rund 90 Jahren: Angefangen von Claras Vater als leidenschaftlicher Kommunist in den 1930er Jahren über die Zeit des Zweiten Weltkriegs, das Leben im Nachkriegsdeutschland bis hin zur heutigen Zeit. Vor allem die DDR-Zeit wird ausführlich beschrieben, so ist es gerade diese Epoche, die zu Zerwürfnissen in der Familie führt. Vater Hans trauert alten Idealen hinterher und realisiert zu spät, dass er sein Leben lang einem falschen System gedient hat. Sein Sohn Jan versteht dies bereits früher und wendet sich mit seiner Ausreise in den Westen offensiv von seiner Familie und vom Sozialismus ab. Clara schließlich engagiert sich in Bürgerbewegungen und sagt damit den politischen Zuständen in der DDR endgültig den Kampf an.

Wem wird “Machandel” gefallen?

“Machandel” ist ein Roman für alle, die sich für ostdeutsche Geschichte interessieren und diese anhand von Einzelschicksalen nachvollziehen möchten. Regina Scheer ist ein sehr lebhaftes und authentisches Buch über eine Familie in der DDR gelungen. Diesen Roman möchte man, einmal begonnen, nicht so schnell wieder aus der Hand legen. Große Lese-Empfehlung!

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