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Literatur in 300 Wörtern (57): Jeffrey Eugenides – Das große Experiment

Jeffrey Eugenides: Das große Experiment

Inhalt von “Das große Experiment” in drei Sätzen:

Geschichten vom Scheitern: Jeffrey Eugenides zeigt in seinen Erzählungen Menschen in Krisensituationen. Ob Einsamkeit, Geldprobleme, unerfüllte Sehnsüchte oder die Angst nicht genug im Leben erreicht zu haben: Er begleitet seine Figuren bei ihren Versuchen, sich Wege aus dem privaten oder beruflichen Schlamassel zu bahnen. Auf sehr persönliche, teils auch humorvolle Weise nähert sich der Erzählungsband “Das große Experiment” seinen Protagonisten.

Lieblingszitat aus dem Erzählungsband “Das große Experiment”:

“Anders als die meisten Orte, an denen meine Eltern gelandet sind, hat Dayona Beach etwas Proletarisches. Weniger alte Leute, mehr Biker. In der Bar, in die ich gern gehe, haben sie einen lebenden Hai. Er ist einen knappen Meter lang und schwimmt in einem Aquarium über den gestapelten Flaschen. Der Hai hat gerade so viel Platz, um kehrtzumachen und wieder zurückzuschwimmen. […] Die Tänzerinnen tragen Bikini, manche funkeln wie Fischschuppen. Sie kreisen durch das Dämmerlicht wie Meerjungfrauen, während der Hai mit dem Kopf gegen die Scheibe stößt.” (Aus: Timesharing)

Erzählungen von Eugenides sind Romane im Kleinformat. Denn in der Tat ist es immer wieder erstaunlich wie es Jeffrey Eugenides bei jeder Geschichte aufs Neue gelingt, in der knappen Prosaform der amerikanischen Short Story wahre Dramen und Lebenskrisen anschaulich und realistisch darzustellen. Trotz der Kürze der Erzählungen hat man immer wieder das Gefühl, die vorgestellten Figuren einschätzen und irgendwie – selbst in ihrer Exzentrik – verstehen zu können. Bei einigen Kurzgeschichten ertappte ich mich sogar dabei, zu bedauern, dass sie bereits zu Ende ist. Zu gerne hätte ich das Schicksal der Hauptfigur weiterverfolgt. Das ist vielleicht auch das, was Jeffrey Eugenides’ Short Stories ausmachen: Sie alle könnten zum Roman ausgebaut werden, bergen sie doch noch viel Unerzähltes, das viel Potential hätte, ausführlich erzählt zu werden. So oder so ist es jedoch eine Freude, dieses Buch voller spannender, mitreißender und gut beobachteter Erzählungen zu lesen und sich in Eugenides’ Geschichten vom Leben und vom Scheitern zu vertiefen.

Wem wird “Das große Experiment” gefallen?

Ich würde diesen Band definitiv Liebhabern gut geschriebener Kurzgeschichten ans Herz legen, gleich nach Raymond Carver. Gerade für zwischendurch, wenn sich im Alltag vielleicht gerade wenig Zeit und Muße für einen “dicken Wälzer” bietet, eignet sich “Das große Experiment” perfekt. So hat mir das Buch meinen täglichen Weg zur Arbeit versüßt. Und: Ich bin jetzt neugierig geworden, die “Großwerke” von Jeffrey Eugenides zu lesen. Irgendwelche Empfehlungen?

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    2 KOMMENTARE

  • Johanna 29. Februar 2020 Reply

    Tolle Kurzrezension! Schon der Lieblingssatz ist grandios. Dass du Eugenides gleich nach Carver nennst, hat mich überzeugt. Zeit, meinen local dealer zu unterstützen und mich für Ostern in Corona-Zeiten zu wappnen 🙂
    Bin eben erst auf deinen Blog gestoßen und sehr begeistert!

    • Deborah 29. Februar 2020 Reply

      Danke, das freut mich. Dann viel Spaß und gute Lektüre 😊

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