Inhalt von “Die Vegetarierin” in 3 Sätzen:
Eine Frau entscheidet von einem Tag auf den anderen, kein Fleisch mehr zu essen. Ihr Ehemann ist geschockt, auch bei ihrer Familie und den Arbeitskollegen ihres Mannes stößt ihr Verhalten auf Unmut. Doch so sehr die Gesellschaft auch auf sie Druck (und sogar Gewalt) ausübt, die Vegetarierin bleibt standhaft…
Lieblingszitat:
“Sie war geübt darin, Rindersteaks zu grillen, sie geschickt zu wenden und zu zerteilen. Sie war überhaupt eine sehr gute Köchin, was sie von Beginn unserer Ehe an jeden Sonntag unter Beweis stellte. […] Aber was bekam ich stattdessen? Gerade hatte sie mir die Algensuppe eingeschenkt, die zumindest auf den ersten Blick nichts Gutes verhieß. Meine Frau saß schief auf ihrem Stuhl und löffelte die unappetitlich aussehende Brühe. […] Ich verstand sie nicht. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich meine Frau offensichtlich überhaupt nicht kannte.”
So schlicht die Handlung nach dieser kurzen Inhaltsangabe auf den ersten Blick auch erscheinen mag: “Die Vegetarierin” ist vielmehr als eine bloße Erzählung über eine Frau, die kein Fleisch mehr isst. Der Roman “Die Vegetarierin” der koreanischen Schriftstellerin Han Kang erzählt von einer Rebellion und dem Wunsch sich von gesellschaftlichen Normen und Zwängen zu befreien. Der Vegetarismus ist vielleicht vielmehr als Symbol oder Metapher dafür zu sehen, dass sich eine Frau eine Freiheit nimmt, die ihr die Gesellschaft nicht zugesteht. Stellenweise erinnert die Hauptfigur an berühmte literarische Vorbilder wie Herman Melvillles Antihelden “Bartleby, der Schreiber“, der sich jedem Tun verweigert oder auch Franz Kafkas “Hungerkünstler“, der jegliche Nahrung ablehnt und das Hungern zum idealen Daseinszustand glorifiziert.
Der wirkliche Auslöser für das radikale Verhalten von Han Kangs Vegetarierin (oder sogar Veganerin) bleibt größtenteils im Dunkeln. Ihre Äußerungen über grausame Alpträume, die sie plagen und vom Schlafen abhalten, werden eher am Rande geschildert. Sie selbst kommt im ganzen Roman nie selbst zu Wort: denn die Handlung wird in drei Kapiteln und aus drei Perspektiven erzählt (jeweils aus der Sicht ihres Ehemannes, ihres Schwagers und ihrer Schwester). Jede der Figuren versucht sich auf ihre Weise einen Reim auf das Verhalten der Vegetarierin zu machen.
Wem wird “Die Vegetarierin” gefallen?
“Die Vegetarierin” ist eine wahnsinnig spannende, rätselhafte, aber auch aufrüttelnde Lektüre. Man macht es sich allerdings zu leicht, wenn man sagt, dass Vorstellungen davon, wie eine Frau zu denken, auszusehen oder zu handeln hat, nur in asiatischen Gesellschaften existieren. Sicher, der Roman spielt in Südkorea, dennoch trifft er wohl den wunden Punkt einer jeden patriarchalisch organisierten Gesellschaft. Ob also nun Kafka-Fan, politisch interessierter Leser oder einfach Liebhaber von atmosphörischer Prosa – ich kann dieses zum Teil surreale, aber auch sonderbare Buch nur jedem empfehlen, der sich für vielschichtige Literatur begeistert. Han Kang – diesen Namen sollte man sich merken! Er steht nun also definitiv auf meiner Liste. Zwei weitere Romane von ihr habe ich nach “Die Vegetarierin” sogar schon gelesen. Vielleicht dazu hier bald mehr, der Lesewinter ist ja noch lang…
2 KOMMENTARE
Das Buch las ich im letzten Jahr. Meine Erinnerungen wurden wieder wach, mein Fremdeln mit dieser Frau aufgeschlüsselt.
Die Besprechung ist die ideale Beilage für dieses Buch, wenn man es an eine Freundin verschenkt, die sich vegetarisch
ernährt.
[…] nichts von Han Kang gelesen? Dann ist “Die Vegetarierin” wohl der beste Einstieg in das Werk der koreanischen Schriftstellerin. Vordergründig geht es um […]