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Minimalismus-Guide: Bücher ausmisten

Minimalismus-Guide: Bücher ausmisten - Tipps für Literaturliebhaber

Ein Umzug ist immer ein guter Anlass, um sich darüber klar zu werden, welche Dinge (und darunter natürlich auch Bücher) einem wirklich wichtig sind. Bei mir war das allerdings in den letzten Wochen nicht der einzige Grund, über meinen eigenen Besitz (und damit verbundenen Konsum) nachzudenken. Ich habe mich in letzter Zeit sehr viel mit dem Thema Minimalismus beschäftigt und finde diesen Ansatz schon längst nicht mehr so radikal wie vor einigen Jahren. Auch weil ich mit dem Buch “Goodbye things” von Fumio Sasaki nun einen ein bisschen “sanfteren” Einstieg in den Minimalismus kennengelernt habe.

Es geht beim Minimalismus nicht darum, in einer quasi leeren Wohnung zu leben, sondern sich einfach bewusster zu werden, was man wirklich benötigt. Ich möchte Euch in diesem kleinen Minimalismus-Guide einige Tipps mit auf den Weg geben – Ausmisten von Büchern ist gar nicht so schwer (und schmerzhaft), wie man als Buchliebhaber:in zunächst glauben würde.

Bestandsaufnahme

Ganz klar, zu Beginn des Minimalisierens steht ein Blick in das eigene Bücherregal. Wichtig: einfach mal wirklich ehrlich zu sich sein und sich zu fragen: Welche Bücher stehen dort schon ziemlich lange ungelesen herum – und werden wahrscheinlich auch nicht mehr gelesen? Warum ist das so? Handelt es sich vielleicht um Bücher, die man mal geschenkt bekommen hat und die man sich irgendwie nicht traut, wegzugeben? Sind es Bücher, die man vor langer Zeit gelesen hat – und es vermutlich auch nicht ein zweites Mal tun wird? Ja, manche Erkenntnis, die man dabei gewinnt, ist nicht immer einfach zu verdauen.

Aber was bringt es, wertvollen Platz zu verschwenden – im Zweifel für Bücher, die man eigentlich gar nicht (nochmal) lesen wird? Warum mit Büchern umgeben, die einem vielleicht sogar ein unterschwellig ein schlechtes Gefühl geben, weil man sie (immer noch) nicht gelesen hat? Oft redet man sich ja ein, dass man diese Bücher “irgendwann später, wenn mal Zeit ist” lesen wird. Aber mal ehrlich, wenn der Moment jetzt noch nicht gekommen ist, wann wird er kommen? Vermutlich nie.

Bei mir wurde der Stapel der aussortierten Bücher bei dieser Vorgehensweise sehr schnell immer höher und höher. Und das Eigenartige – was ich vorher nie gedacht hätte: Diese Bücher vermisse ich nicht im Geringsten und teilweise kann ich mich sogar nicht mal mehr erinnern, welche es nochmal genau waren.

Du bist, was du liest? Oder: Wer möchte ich sein?

Je mehr man ausmistet, wird auch eine andere – vielleicht etwas bittere – Erkenntnis immer präsenter: Manche Bücher hat man eigentlich nur noch, weil sie mal einen Teil der eigenen Geschichte darstellen. Frei nach dem Motto “Du bist, was du liest” weisen sie manchmal darauf hin, welche Person man mal war – allein durch die Bücher, die sich im eigenen Regal befinden. Ausmisten kann also eine gute Gelegenheit darstellen, zu reflektieren, von welchen Büchern man sich nun auch wirklich endlich trennen kann. Und wie gesagt, je länger man seinen Blick über die Regalreihen schweifen lässt, wird einem bewusst, wie wenig Bücher einem eigentlich wirklich am Herzen liegen und welche nur noch verstauben. Und am besten einfach zum nächsten Leser wandern sollten.

Die Bücherstapel im Regal wachsen - welche Bücher dürfen bleiben?

Die Bücherstapel im Regal wachsen – welche Bücher dürfen bleiben?

Minimalismus im Regal: Weniger Bücher, weniger Ballast

Mittlerweile besitze ich vielleicht nur noch ein Drittel meiner Bücher, die ich noch vor einigen Monaten besaß. Und es fühlt sich gut an. Und das obwohl ich weiterhin eine Literaturliebhaberin bin – und vermutlich auch bleiben werde. Ich lese gerne – doch mir ist in letzter Zeit immer stärker bewusst geworden, dass man nicht alle Bücher besitzen muss. Und vor allem, dass man sie nach dem Lesen nicht unbedingt alle behalten muss. Denn sie verbrauchen einfach auch viel Platz – und stehen im Zweifel vielleicht Monate oder sogar Jahre einfach nur passiv in einem Regal.

Leihen statt kaufen

Längst habe ich wieder meine Lieblingsbücherei in Berlin-Kreuzberg für mich entdeckt: die Amerika-Gedenkbibliothek (Standort der ZLB) ist eine der größten öffentlichen Bibliotheken Berlins und ein wahres Paradies für Liebhaber von Büchern, Filmen, Kunst…und was man mittlerweile dort noch so nutzen und ausleihen kann. Selbst Bücher, von denen ich mich mittlerweile getrennt habe, würde ich hier ohne Probleme finden und könnte ich – wenn ich sie doch nochmal lesen wollte – einfach hier ausleihen. Spätestens diese Erkenntnis hat mich beim Ausmisten enorm vorangebracht.

Bücher spenden, verschenken, verkaufen…

Wohin mit den aussortierten Büchern? Wegschmeißen finde ich jetzt auch etwas drastisch, auch wenn Marie Kondo (die bekannteste japanische Minimalistin) sogar vor diesem Schritt nicht Halt machen würde. Denn sie betrachtet Bücher sehr pragmatisch als Altpapier – sofern sie einen selbst nicht mehr glücklich machen.

Ich habe den Großteil meiner Bücher gespendet. In Berlin gibt es zahlreiche Sozialläden, die Spenden annehmen. Die Erlöse aus dem Buchverkäufen kommen einem wohltätigen Zweck zugute. Hierzu zählen zum Beispiel Läden von Oxfam (wie den Buchshop in Schöneberg), der Berliner Büchertisch, aber auch Kiezläden wie die Platane19, die beispielsweise Menschen mit psychischer Erkrankung beim Einstieg ins Arbeitsleben fördert.

Bücherbox in der Kuno-Fischer-Str. 15 vor der Kaffeerösterei KUNO 15 (Berlin-Charlottenburg)

Bücherbox in der Kuno-Fischer-Str. 15 vor der Kaffeerösterei KUNO 15 (Berlin-Charlottenburg)

In vielen Berliner Kiezen (z.B. in Charlottenburg) befinden sich außerdem ehemalige Telefonzellen, die zu Bücherzellen umfunktioniert wurden. Auch hier kann man das eine oder andere Buch spenden und so einem neuen Leser eine Freude machen. Hier findet Ihr noch eine weitere Liste mit öffentlichen Bücherschränken in ganz Berlin.

Längst gibt es auch Portale wie Medimops/Momox, die Bücher annehmen und einem dafür ein Guthaben überweisen. Oder der gute alte Amazon Marketplace, Booklooker, Abebooks etc. Hier habe ich allerdings leider die Erfahrung gemacht, dass viele Belletristik-Titel nur noch sehr wenig “wert” sind und man dementsprechend auch wirklich nicht mehr viel dafür bekommt (oft nur wenige Cent). Mir persönlich gibt es dann doch ein besseres Gefühl, wenn ich meine Bücher an einen der oben genannten Sozialläden oder das Antiquariat Café Morgenstern in Berlin-Steglitz spende, wo noch wirklich begeisterte Leser:innen (mit kleinem Geldbeutel) unterwegs sind, diese die Bücher dann günstig erwerben können – und der Erlös einem guten Zweck zugute kommt.

Minimalismus-Lektüretipps

Marie Kondo: Magic Cleaning

Marie Kondo ist spätestens seit der Netflix-Serie auch in unseren Breitengraden bekannt. Ihr Buch “Magic Cleaning” ist ein echtes Standardwerk und aus der Minimalismus-Szene kaum noch wegzudenken. Sie geht beim Aussortieren sehr systemisch nach der sog. “Konmari-Methode” vor und teilt ihr Hab und Gut zunächst in Kategorien ein (z.B. Kleidung, Bücher, Erinnerungsstücke). Diese werden alle an einem Ort auf einen Haufen geworfen. Und dann kann man mit dem Ausmisten loslegen. Jeder Gegenstand wird einzeln in die Hand genommen. Nur Dinge, die einen glücklich machen, dürfen bleiben. Damit ist ihr Vorgehen sicher sehr effizient – aber vielleicht auch nicht jedermanns Sache. Sehr inspirierende Lektüre! Und man kann ja selbst entscheiden, was man von ihren Tipps alles umsetzen möchte (wirklich nur 30 Bücher behalten?) und wie viel Zeit man sich für diesen Prozess nehmen möchte.

Fumio Sasaki: Goodbye, things - On minimalist living

Fumio Sasaki: Goodbye, things – On minimalist living

Fumio Sasaki: Goodbye, Things (Deutsche Ausgabe: Das kann doch weg)

Auch Fumio Sasaki gibt in seinem Buch “Goodbye, Things” Einblicke in das Leben als Minimalist und zeigt, wie er selbst zu diesem Lebensstil gekommen ist. Spannend: Er betont, dass es sich hierbei um einen (mehrjährig andauernden) Prozess handeln kann. Und dass man somit nicht unbedingt gleich alles auf einmal ausmisten muss, um zum Ziel zu kommen. Denn im idealen Fall möchte man am Ende noch die Anzahl von Dingen zu besitzen, die man wirklich benötigt. Damit ist sein Ansatz deutlich weniger drastisch als der von Marie Kondo. Sasaki gibt zudem zahlreiche Tipps mit auf den Weg, die dabei helfen, sich von Dingen zu trennen. Ihm ist auch wichtig, zu hinterfragen, warum man sich bisher von ihnen nicht trennen konnte. Großartiges Buch, das mir persönlich gute Denkanstöße gegeben hat!

Wie steht Ihr zum Thema Bücher ausmisten? Ich freue mich über Eure Kommentare (und Tipps).

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    3 KOMMENTARE

  • Eva 18. April 2022 Reply

    Immer wieder ein spannendes Thema!

    Auch ich habe mich vor einigen Jahren viel mit Minimalismus beschäftigt und Vieles aussortiert, auch Bücher.
    Inzwischen habe ich gemerkt, dass ich mich in manchen Bereichen mit mehr Auswahl doch wohler fühle, zum Beispiel im Kleiderschrank.
    Bücher sind aber kaum wieder neue dazu gekommen – vor allem weil ich seit Jahren fast nur noch E-Books lese. Ich weiß, das ist auch nicht jedermanns Sache, aber es spart jedenfalls Platz im Bücherregal (und hat m.E. noch andere praktische Vorteile).
    Aber in die Öffentlichen Bibliotheken Berlins (bei mir auch bevorzugt die AGB) gehe ich nach wie vor viel, einfach auch um Neues zu entdecken.
    Mir tut es nur ein bisschen leid um die vielen schönen kleinen Buchhandlungen in meiner Gegend. Wenn ich also doch mal ein gedrucktes Buch kaufe, als Geschenk oder für den Unterricht, dann dort.

    Ein Freund sagte neulich zum Thema ungelesene Bücher, er halte es da mit Umberto Eco. Gefragt, ob er all die Bücher in seiner umfangreichen Privatbibliothek denn auch gelesen habe, antwortete dieser: „Wieso? Haben Sie denn nur leere Weinflaschen im Keller?“

    Liebe Grüße
    Eva

    • Deborah 18. April 2022 Reply

      Liebe Eva,
      danke dir für den sehr ausführlichen Kommentar. Klingt doch gut, dass du unterdessen für “richtige” Menge an Büchern und Kleidung gefunden hast. Ich realisiere auch immer mehr, dass es sich beim Minimalismus um einen Prozess handelt und man sich ruhig Zeit lassen sollte, herauszufinden, was bleiben darf und was nicht.
      Cool, dass du auch in die AGB gehst.. Vielleicht sind wir uns dort ja schon unwissentlich über den Weg gelaufen. 😁
      Ich denke auch, dass man ruhig auch ungelesene Bücher haben sollte. Aber wie so oft macht es bestimmt auch Sinn, diese ab und zu mal durchzugehen. Die, die man nicht mehr lesen wird in absehbarer Zeit, sind bei einem/einer anderen Leser/in vielleicht doch besser aufgehoben.
      Liebe Grüße
      Deborah

  • Tina 18. April 2022 Reply

    Dein Text spricht mir aus dem Herzen. Mir waren meine Bücher früher total heilig, aber das macht vor allem in kleinen Berliner Wohnungen echt keinen Sinn. Ich hab gute Erfahrungen mit Minimalismus-Challenges gemacht. Habe schon 2x 30 Tage lang jeden Tag etwas ausgemistet, das hat mich ziemlich angespornt. Bei den Büchern fiel es mir tatsächlich besonders leicht. Mit denen habe ich die Bücherboxen in der Gegend bestückt. Genau wie du habe ich seither auch Bibliotheken wiederentdeckt, ich gehe gerne in die Pablo-Neruda-Bibliothek an der Frankfurter Allee. Liebe Grüße, Tina

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