Rainer Werner Fassbinder: Am kommenden Sonntag wäre der große Skandalregisseur der Bundesrepublik, das Ausnahmetalent des Neuen Deutschen Films 70 Jahre alt geworden. Der Martin-Gropius-Bau widmet dem Filmemacher gerade eine Ausstellung, die vor allem sein künstlerisches Schaffen, aber auch die Einflüsse auf andere Künstler in den Vordergrund rückt. Sein skandalumwobenes Privatleben, ebenso wie die oft manipulativen Beziehungen zu seiner “Filmfamilie”, die oft von Eifersüchteleien und wechselseitigen Abhängigkeiten geprägt waren, wird dabei (was sonst sehr selten ist) komplett ausgeblendet. Was in dieser Ausstellung zählt, ist der Künstler. Ein löblicher Ansatz.
Stattdesssen kommt Fassbinder gleich im ersten Raum in kleinen Interview-Sequenzen selbst zu Wort, kommentiert seine eigene Arbeitsweise, die sich vor allem dadurch auszeichnete, dass er sich nie zum Spielball machen ließ, sich stattdessen vor allem unbequemen Themen annahm, ebenso wie er moralisch “böse” Figuren und von der biederen Nachkriegsgesellschaft nicht anerkannte Außenseiter ins Zentrum rückte. Spätestens als die unzähligen Drehbuchskizzen, Entwürfe und Drehpläne Fassbinders offenbart werden, wird die immense Arbeitswut des Regisseurs deutlich. So realisierte er in seiner vergleichweise kurzen Schaffensperiode (Fassbinder starb mit 37 Jahren) über 40 Filme, u.a. auch Fernsehserien. Jede Einstellung, das Drehbuch, die Schauspieler und das Setting bis hin zur aufwendigen Ausstattung: von Fassbinder wurde dies im Vorfeld bereits akribisch vorbereitet, teilweise auf Tonbänder gesprochen oder in Ringbücher geschrieben und gezeichnet. Umso faszinierender wird das Ganze, wenn man bedenkt, dass er als Autodidakt zum Filmemachen kam. Fassbinder bewarb sich mehrmals an Filmhochschulen, jedoch ohne Erfolg.
In gut ausgewählten Filmausschnitten führt die Ausstellung schließlich direkt in das Œuvre des Künstlers ein und zeigt eindrucksvoll, dass Fassbinder auch ohne professionelle Ausbildung sein Handwerk beherrschte wie kaum ein anderer deutscher Regisseur. Teilweise stilistisch, teilweise thematisch geordnet machen die kurzen Einspieler große Lust in das umfangsreiche Werk einzutauchen und sich eingehender mit (teilweise erschreckend aktuellen!) Filmen wie “Angst essen Seele auf” zu beschäftigen. Gerade dieser erste Teil der Ausstellung ist ohne Zweifel der stärkere. Zwar werden weiter hinten auch noch künstlerische Nachkommen Fassbinders gezeigt, doch entweder ist meine Aufnahmefähigkeit zu diesem Zeitpunkt schon zu schwach gewesen oder die zum Teil sehr bewegenden Sequenzen aus Fassbinders Filmen haben mir schon genug Denkstoff gegeben. Insgesamt ist “Fassbinder JETZT” nicht als Einstieg gedacht, setzt stellenweise gewisses Vorwissen voraus: eine Ausstellung zum Auffrischen gewissermaßen, die das Interesse an RWF neu entfacht!
Fassbinder JETZT
Martin-Gropius-Bau Berlin
Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin
Mi-Mo 10-19 Uhr; Dienstag geschlossen.
Noch bis zum 23. August 2015.
7 KOMMENTARE
toller beitrag! die ausstellung will ich mir unbedingt anschauen! ich liebe den martin gropius bau und habe gerade erst die tolle austellung zero gesehen!
Danke! Ja, lohnt sich sehr. Der Martin-Gropius-Bau zählt auch zu meinen Favoriten 🙂
bitte bitte <3 ja zu meinen auch, mit dem bauhaus-archiev und so vielen anderen…
Schön. Dann wünsche ich viel Spaß in der Ausstellung. Heute ist auf arte übrigens ein Fassbinder-Abend. 😉
ohh danke für den tipp <3
danke für den arte-tip, liebe deborah. fassbinder war großartig. vor drei Jahren gabs im münchner theatermuseum einen guten, umfassenden einblick in sein bühnen-Œuvre. zeit mal wieder in den fassbinder kosmos einzutauchen – im august -so der plan- geht’s nach berlin und selbstverständlich auch in den gropius-bau:) herzliche grüße, daniela
[…] in Berlin bis zum 23. August mit der Ausstellung Fassbinder – JETZT. Ein erster Einblick mittenrein, der bestärkt und Lust auf einen Besuch […]