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Ausstellungstipp: Kunst im Berghain (Studio Berlin)

Kunst im Berghain: Seit letzter Woche wird im berühmten Techno-Club zeitgenössische Kunst ausgestellt. (Foto: Sommerdiebe.de)

Corona hat vor allem die Kultur- und Veranstaltungsbranche hart getroffen. Auch Berlins berühmter Techno-Club Berghain hat seit März 2020 geschlossen und musste alle MitarbeiterInnen in die Kurzarbeit schicken. Aber Berlin wäre nicht Berlin, wenn man nicht immer versuchen würde trotz der Widrigkeiten eine kreative Lösung zu finden, um wieder auf die Beine zu kommen. So kann man die Kooperation zwischen dem Kunstsammlerpaar Boros (das einen Kunstbunker in der Reinhardtstr. in Mitte betreibt) und den Betreibern des Berghains wohl nur als ein solches aus der Not geborenes Projekt bezeichnen.

Seit vergangener Woche werden in dem imposanten ehemaligen DDR-Heizkraftwerk Werke von über 100 zeitgenössischen, in Berlin lebenden KünstlerInnen gezeigt. Normalerweise ist das Berghain ja besonders für seine knallharte Türpolitik bekannt: Einfach so mit einem Online-Ticket reinmarschieren, das ist nicht möglich. Ich wollte mir somit zur Art Week nicht die einmalige Gelegenheit entgehen lassen, mir diesen besonderen Berliner Ort mal in Ruhe anzusehen. Wenn auch ohne Kamera – denn Fotografieren ist im Berghain nach wie vor strikt verboten. Aber so müssen Worte eben genügen.

Kunst im Berghain: Breites Spektrum an Themen und Kunstformen

Schon im Eingangsbereich begrüßt einem als BesucherIn eine riesige Boje, die von unten nach oben und wieder zurück pendelt. Unverputzte Wände, Fabrikcharme und kleine dunkle (mit Ketten und Gittern abgesichterte) Nischen, die wie kleine Kerker wirken. Keine Frage, das Berghain ist ein ganz besonderer Ort. Das Kopfkino springt sofort an: Wie muss dieses Gebäude erst wirken, wenn man stundenlang in der Schlange vor dem Club ausgeharrt, der Türsteher einen hineingebeten und man durch einen langen schmalen Korridor im vor Bässen nur so wummernden Inneren angelangt ist?

Und jetzt? Bis auf ein paar Klanginstallationen: Stille und Kunstgenuss. Die gezeigten Werke lassen sich ganz unterschiedlichen Kunstformen zuordnen: Ob Fotografie, Skulptur, Malerei, Video, Sound, Performance und Installation – es bleibt stets abwechslungsreich. Weltberühmte KünstlerInnen werden neben Newcomern der Kunstszene ausgestellt. Auffällig: Viele Werke haben einen Bezug zum Morbiden, zum Rausch und Exzess – ob das daran liegt, dass die Kunstwerke gezielt für das Berghain ausgewählt wurden? Denn man kann es nicht anders sagen: Der Club versprüht mit seinen unzähligen labyrinthischen Gängen und dunklen Sofanischen definitiv ein grotesk-düsteres Flair. Die hohen Fabrikfenster sind nahezu überall abgedunkelt. Hier verliert man sehr schnell das Zeitgefühl und weiß zwischenzeitlich gar nicht mehr, wie spät es ist. In das Berghain eintreten ist wie eine Parallelwelt zu betreten. Kein Wunder, dass hier so mancher Clubgänger erst nach 12 oder mehr Stunden wieder zurück ans Tageslicht herausgefunden hat…

STUDIO BERLIN/Berghain, LOVE © Dirk Bell Foto: Noshe

Studio Berlin / Boros Foundation, Berghain, Berlin 2020
Artwork: © Dirk Bell
Photo: © Noshe

Imposantes Kunstlabyrinth

Auch ich habe mich in dem Kunstlabyrinth relativ schnell verlaufen, muss jedoch auch sagen, dass der imposante Charakter des Gebäudes die Kunst manchmal etwas schluckt. Vor allem im Kesselhaus fällt es mir schwer, meine Augen von der Architektur loszureißen. Auch kann ich es – obwohl ich selbst noch nie im Berghain war und Techno auch nicht mein Musikgeschmack ist – nicht lassen, mir dauernd eine schwarzgekleidete, pulsierende und schwitzende Menschenmasse vorzustellen. Über das Berghain existieren einfach so wahnsinnig viele Legenden und Gerüchte, die man nur schwer beiseite drängen kann. Manche Kunstwerke wirken im riesigen Raum sogar etwas verloren. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir jedoch definitiv Ólafur Elíassons Spiegel-Installation (Absicht? Denn normalerweise existieren im Berghain nirgendwo Spiegel). Auch die raumgreifende Installation der jungen Künstlerin Raphaela Vogel, die Sehenswürdigkeiten verschiedener internationaler Großstädte darstellt und indirekt die Isolation sowie die weltweite Vernetzung in Zeiten von Corona thematisiert, schafft es, sich gegen die monumentale Architektur des Techno-Clubs durchzusetzen.

Kunst statt Clubbing: Definitiv ein spannendes Experiment, das sich bestimmt auch für andere Veranstaltungsorte, die unter Corona leiden, umsetzen ließe. Auf weitere kreative Ideen in Zeiten der Pandemie!

Berghain
Am Wriezener Bahnhof
10243 Berlin

Mit Führung: Dienstag bis Freitag von 11:45 bis 20:00 Uhr
Besuch ohne Führung: Samstag und Sonntag von 11:45 bis 22:00 Uhr

Einlass nur mit Online-Ticket. Die Tickets sind leider recht schnell ausverkauft – also unbedingt weit im Voraus buchen! Die Ausstellung läuft voraussichtlich noch bis Ende des Jahres.

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