Han Kang: Ihr Leben
Han Kang wurde 1970 in Gwangju (Südkorea) geboren und studierte nach der Schule Koreanische Literatur in Seoul. Bereits direkt nach ihrem Studium machte sie sich als Lyrikerin und später auch Romanschriftstellerin einen Namen. Für ihre Werke erhielt sie in Korea mehrere Literaturpreise, unter andereren den Yi-Sang-Literaturpreis, der zu den wichtigsten Auszeichnungen für moderne Literatur im südkoreanischen Raum zählt.
Ihr literarischer Durchbruch auch außerhalb vom Korea gelang ihr schließlich mit ihrem Roman “Die Vegetarierin”, der zwar schon 2007 in Korea erschienen war, aber erst 2016 ins Englische übersetzt wurde und Han Kang schlagartig einem großen internationalen Publikum bekannt machte. Die Verleihung des Man Booker Prize verhalf Han Kang zu einer noch größeren Bekanntheit in der westlichen Welt. Neben ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin lehrt sie heute kreatives Schreiben am Kulturinstitut Seoul und fördert somit auch den jungen literarischen Nachwuchs.
Stil & Themen von Han Kang: Das macht ihre Literatur aus
Es überrascht nicht, dass Han Kang sich neben der Literatur auch für Kunst und Musik begeistert. Die Liebe für die Künste tritt auch in ihrem Schreibstil immer wieder in Erscheinung. Sei es, dass Künstler und ihre Werke eine zentrale Rolle in der Romanhandlung spielen, auf metaphorischer Ebene oder in ihrer Sprache. Han Kang ist zweifelsohne eine Poetin, die es schafft, bereits mit wenigen Sätzen eine Atmosphäre zu erzeugen, die einen fesselt und zum Weiterlesen animiert.
Vielleicht ist es auch ihr gewisser Hang zum Absurden und Rätselhaften, der manchmal an Schriftsteller wie Kafka erinnern lässt. Ob eine Frau, die plötzlich kein Fleisch mehr essen mag. Oder ein Künstler, der spurlos verschwindet und vorher rätselhafte Gipsabdrücke einer nackten Frau in seinem Atelier hinterlässt. In allen Romanen, die ich bisher von Han Kang gelesen habe, stehen verloren wirkende Figuren im Zentrum. Sie begehren etwas, was unerreichbar für sie zu sein scheint. Sei es künstlerische Perfektion, ein schlanker Körper oder der Wunsch, sich in eine Pflanze zu verwandeln.
Man sollte dennoch nicht den Fehler machen, Han Kang als “fantastische Erzählerin” zu bezeichnen. Denn natürlich, mögen manche ihrer Ideen auch absurd und sonderbar erscheinen: dahinter verbirgt sich auch immer eine große Portion an Gesellschafts- und Sozialkritik. Han Kang erforscht das Menschsein an sich, die seelischen Abgründe ebenso wie all die Gefühle wie Trauer und Freude, die zur menschlichen Existenz einfach dazugehören.
3 Werke von Han Kang, die man gelesen haben sollte
Die Vegetarierin
Noch nichts von Han Kang gelesen? Dann ist “Die Vegetarierin” wohl der beste Einstieg in das Werk der koreanischen Schriftstellerin. Vordergründig geht es um eine Ehefrau, die eines Tages kein Fleisch mehr essen möchte. Der Vegetarismus ist jedoch vielmehr als Symbol oder Metapher dafür zu sehen, dass sich eine Frau eine Freiheit nimmt, die ihr die Gesellschaft nicht zugesteht. Der Roman erzählt von einer Rebellion und dem Wunsch sich von gesellschaftlichen Normen und Zwängen zu befreien. Verstörend, verschroben, nachdenklich stimmend – bis zur allerletzten Seite. Also worauf wartet ihr noch? Viel Vergnügen beim Lesen!
Menschenwerk
Nichts für schwache Nerven ist zweifellos Han Kangs Roman “Menschenwerk”. Vielleicht nicht die beste Lektüre, um sich während einer Pandemie auf andere (positive) Gedanken zu bringen, aber auf jeden Fall ein Buch, das unter die Haut geht. In “Menschenwerk” widmet sich die Autorin dem Gwanju-Aufstand, der im Mai 1980 auf brutalste Weise niedergeschlagen wurde und rund 2000 (vor allem junge) Todesopfer forderte. Das Massaker wurde jahrelang verschwiegen, und viele Familien sind bis heute von den Ereignissen gezeichnet.
Han Kang hat zu diesem schrecklichen Ereignis eine sehr persönliche Bindung aufgebaut, denn sie selbst war damals noch ein Kind und mit ihren Eltern nur kurze Zeit zuvor aus ihrer Heimatstadt Gwanju nach Seoul umgezogen. Sie ist dem Grauen somit nur haarscharf entkommen. In ihrem Buch beginnt sie die Aufarbeitung eines nationalen Traumas, erzählt aus verschiedenen Perspektiven (u.a. aus der Sicht eines 15-jährigen Schülers, einer Mutter und der Autorin selbst) von den Schrecken des Massakers. Echt schwere Kost, die sich aber dennoch sehr lohnt!
Deine kalten Hände
Wie auch in “Die Vegetarierin” geht es in dem 2002 in Korea erschienenen Roman “Deine kalten Hände” um den Körper und um den Versuch, ihn nach den eigenen Wünschen bzw. vielmehr nach den gesellschaftlichen Zwängen zu formen. Im Zentrum der Handlung steht ein Bildhauer, der eine Faszination für übergewichtige Frauen entwickelt. Schein und Sein, Innen und Außen, Masken und das wahre Ich – dieser Künstlerroman handelt von Gegensätzen, die nicht in Einklang gebracht werden können. Als eines der Frühwerke hat “Deine kalten Hände” vielleicht noch nicht die Wucht von Han Kangs späteren Werke, aber bei der Literatur ist es ja manchmal wie beim Wein: Auch Literaten müssen reifen…
Han Kang im O-Ton:
“Writing is a way of questioning for me. I don’t try to find an answer, but to complete the question, or to stay within the question as long as I can. In a sense, writing fiction can be compared with pacing back and forth. You go forward and then come back again, pondering questions that both sears and chills you internally.” (Quelle: BananaWriters.com)
Nun seid Ihr dran: Welches Werk von Han Kang habt Ihr am liebsten gelesen? Was mögt Ihr an ihrer Literatur? Wenn Ihr noch weitere Lektüre-Tipps habt, immer her damit.
3 KOMMENTARE
[…] Erzählung über eine Frau, die kein Fleisch mehr isst. Der Roman “Die Vegetarierin” der koreanischen Schriftstellerin Han Kang erzählt von einer Rebellion und dem Wunsch sich von gesellschaftlichen Normen und Zwängen zu […]
[…] ich noch viel zu Han Kang sagen? Alle, die meinen Blog schon eine Weile verfolgen, haben sicher mitbekommen, dass die […]
[…] in das Werk der koreanischen Schriftstellerin Han Kang, die mich schon im letzten Jahr fasziniert hatte, bin ich weiter eingetaucht. Ihr sehr […]