Vielleicht bilde ich es mir ein, aber in letzter Zeit hab ich das Gefühl, dass Japan echt im Trend liegt. Oder denke ich das nur, weil ich selbst gerade im Japan-Fieber stecke und daher derzeit viel sensibler auf alles reagiere, was im weitesten Sinne mit diesem faszinierenden Reiseland in Verbindung steht? Hier in Berlin scheint zumindest ein Ramen-Lokal nach dem anderen aufzumachen und auch in meinem Umfeld begeben sich immer mehr Leute auf einen Japan-Trip. Auch wenn ich selber kein Japanisch lerne und leider auch noch nie in Japan war, begeistert mich japanische Literatur schon seit längerem. Beim Stöbern in Buchladen oder Bibliothek immer die Augen offen zu halten lohnt sich! Denn neben weltberühmten Autoren wie Murakami gibt es noch weitaus mehr an spannender japanischer Literatur entdecken, als ich es jemals zu träumen wagte. Hier möchte ich Euch einige meiner liebsten Schriftsteller aus Japan vorstellen.
Gute japanische Literatur: Der Newcomer Fuminori Nakamura
Düster und abgründig – auch das gibt es in der zeitgenössischen japanischen Literatur. Besonders empfehlen kann ich den Gangsterroman „Der Dieb“ von Fuminori Nakamura, den ich erst kürzlich regelrecht verschlungen habe. Das Buch spielt in Tokyo und begleitet einen Taschendieb, der das Stehlen perfektioniert und zu seinem Beruf gemacht hat. Eines Tages legt er sich allerdings mit den falschen Leuten an und findet sich schneller als er gucken kann in den gefährlichen Kreisen der japanischen Mafia-Organisation Yakuza wieder. Nervenaufreibende Lektüre! Fuminori Nakamura, von dem leider bisher nur wenige Werke ins Deutsche übersetzt wurden, ist noch ein kleiner Geheimtipp. Aber es gibt gute Nachrichten: Mittlerweile sind seine beiden Romane „Die Maske“ und „Der Revolver” im Diogenes Verlag erschienen.
Die Spielarten der Liebe: Yasushi Inoue
Laut der Wochenzeitung DIE ZEIT ist Yasushi Inoue zwar der „vermutlich populärste Autor der japanischen Gegenwartsliteratur“, entdeckt habe ich ihn selbst jedoch auch erst im Dezember beim Stöbern im Japan-Regal der Bibliothek. Ein schlichter Erzählungsband mit dem profanen Titel „Liebe“ fiel mir dabei in die Hände. In klarer schnörkelloser Sprache stellt das Buch wie der Titel bereits verrät eines der schönsten Gefühle in den Mittelpunkt, jedoch anders als erwartet, nicht nur in positiver Form. In einer Geschichte zerbricht ein junges Ehepaar an einer Episode aus der Vergangenheit, die der Ehemann seiner Frau verschweigt. In einer anderen möchte ein Paar eine einfach unvergessliche Hochzeitsreise verleben – stellt dann am Schluss jedoch doch fest, dass der ganze Aufwand nicht lohnt und es zuhause eben doch am schönsten ist.
Popstar der japanischen Literatur: Banana Yoshimoto
Japanische Literatur aus weiblicher Perspektive zu entdecken: Dies geht wunderbar mit der erfolgreichen Literatin mit dem ausgefallenen Namen Banana Yoshimoto. Bereits ihr erster Buch “Kitchen” verkaufte sich millionenmal und gelangte bis in unsere Breitengrade. Wer Yoshimoto liest, sollte sich jedoch auch auf eine gehörige Portion Eigenwilligkeit einstellen. Häufige Sujets sind zum Beispiel der Umgang mit dem Tod nahestehender Personen, dem Abnabeln vom Elternhaus oder das Erleben von Grenzerfahrungen. Vielleicht hat sie damit auch gerade bei jungen Frauen immer wieder einen Nerv getroffen. Lesenswert sind ihre Werke allein schon durch ihre ungewöhnliche Schreibweise allemal. Ich kann bisher nur den Erzählungsband “Eidechse” empfehlen.
Literatur mit zarten Zwischentönen: Hiromi Kawakami
Zuletzt hat mich Hiromi Kawakamis „Strange Weather in Tokyo” beeindruckt (auf Deutsch unter dem Titel „Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß” erschienen). Der Roman erzählt auf sehr ruhige Weise von der Einsamkeit in der Mega-City Tokyo sowie der Annäherung zwischen zwei Menschen, die sich nach gesellschaftlichen Maßstäben überhaupt nicht lieben dürften. Überhaupt ist Hiromi Kawamaki etwas für zart-besaitete Leser:innen, die das Abtauchen in Traumwelten lieben und einen Hang zum Mystischen haben. So spielt ein weiterer lesenswerter Roman, „Am Meer ist es wärmer”, von der Suche nach einem verschwundenen Ehemann und den Geistern der Vergangenheit.
Und wer darf auf dieser Liste nicht fehlen? Haruki Murakami natürlich!
Muss ich noch viele Worte über Haruki Murakami verlieren? Eigentlich nicht. Denn ohne Zweifel ist er wohl nach wie vor der bekannteste Schriftsteller aus Japan und wird auch hierzulande häufig gelesen. Und das natürlich völlig zu Recht, denn seine Romane, die sich meist um Zwischenmenschliches drehen und den Leser in faszinierende Welten zwischen Traum und Wirklichkeit entführen, entfalten einfach eine enorme Sogwirkung. Aktuell ist er mit seinem neuen Romanprojekt “Die Ermordung des Commendatore” im Gespräch, das ich allerdings (noch) nicht gelesen habe.
Hier findet Ihr allerdings eine kleine Auswahl meiner anderen Murakami-Lesetipps:
Naokos Lächeln
Von Beruf Schriftsteller
Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Welche japanischen Autoren lest Ihr besonders gerne? Welche fehlen auf meiner Liste? Ich freue mich über Eure Anregungen und Lesetipps!
+++ Dieser Artikel wurde im Januar 2022 aktualisiert/erweitert +++
13 KOMMENTARE
Vielleicht ist etwas dran an dem Japan-Trend, eine Freundin ist schon infiziert, und auch ich finde Kulturelles aus Japan auch sehr spannend (und hinfahren werde ich bestimmt auch irgendwann mal). Vor Jahren habe ich das Buch “Verwandte des Lebens” von Kenzaburō Ōe gelesen, der 1994 den Nobelpreis erhielt, auch ein Autor, bei dem es einiges zu entdecken gibt… Dies Buch erinnere ich allerdings als deutlich bodenständiger als die teilweise surreal anmutenden Romane von Murakami.
Vielleicht auch interessant für Dich: die Animés, beispielsweise “Miss Hokusai” (https://kutabu.wordpress.com/2017/10/31/miss-hokusai-film-anime-von-keiichi-hara-2015/)
Viel Spaß bei Weiterentdecken der japanischen Kultur!
LG Eva
Danke für die Lesetipps 🙂 Der “Japan-Virus” scheint wirklich umzugehen 😉 Aber schön, dass immer mehr japanische Literatur nach Deutschland schwappt
Ich mag die Tiefe in den Geschichten, was manchmal gar nicht so sehr in den deutschen Buchbesprechungen rüberkommt, die englischen sind ein bisschen genauer. Meine Lieblingsautorin ist Hiromo Kawakami.
Danke für den Kommentar. Die Autorin merk ich mir gleich mal vor 🙂
Zuerst fiel mir gleich Banana Yoshimoto ein ( der Name blieb einfach hängen:-)
schön daß sie bei deiner Liste dabei ist. Ich hab das Buch “ Kitchen“ zweimal gelesen weil ich es schwer zugänglich fand, irgendwie fand ich es zu melancholisch. Aber nachdem mein Mann gerade nach Tokio gereist ist, finde ich Japan auch interressant und probier es vielleicht mal wieder mit japanischerLektüre. Danke für die Anregung!
Danke für deinen Kommentar. Freut mich, dass dir Banana Yoshimoto auch so gut gefällt. “Kitchen” muss ich auch mal lesen.
LG
Deborah
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